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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

die sie mit sich bringe, als unerläßlich und r'chtete an die Franko 
hrr^'- Bürgerschaft die Bitte, sich der Tragweite der heute gefaßten 
Deflblüffe bewußt zu sein. Sie müsse bedeuten, daß es sich bei 
der Steuer um einen letzten Versuch zur S a n i e ru n g unse 
rer städtischen Finanzen handle. Nach Ausführungen 
des Stadtv. Lang (K^mm.) unterstrich Stadtrat Dr. Langer 
die Notwendigkeit der Vorlage und appellierte an die Einsicht der 
Stadtverordneten Lebne man die Vorlage ab, so werden in Zu- 
kuntt noch bartere Belastungen kommen. Die Regierung habe mr 
Wr'gen auf die Verpflichtungen der Städte hingewiesen, die 
Steuer aM schärfste arnusvannen. Mit den Anträgen der bürger 
lichen Parteien könne sich der Magistrat zur Not abfinden. Diese 
Anträge wurden in der Abstimmung gegen die Stimmen der Linken 
angenommen. * l 
Die Straßenbahn. 
Hu dem Beschluß des Hauptausschuffes über Einführung der 
Renten mark-Tarifsätze bei der Straßenbahn brächte 
Stadv Sieling (So?.) folgenden Antrag seiner Fraktion ein, 
der die Beseitigung verschiedener Härten Vorsicht. 
Wir beantragen, die Stadtverordneten-Versammlung wolle 
den Magistrat ersuchen, die Möglichkeit einer we'teren Herab 
setzung der Straßenbahntarife insbesondere für Monats- und 
Wochenkarten zu prüfen und der Stadtverordneten-Versammlung 
darüber baldigst zu berichten. 
Gleich dem Stadtv Lang (Komm.) vertritt auch Stadtv. 
Fleischer (Lib) den Standpunkt, es müsse prinzipiell möglich 
sein, die Grundtare der Straßenbahn auf 10 Golbpfennige 
herab'udrücken. Daß das in einer Zeit der so sehr verminderten 
Löhne nicht geschehen könne, sei ein bedenkliches Zeichen. Stadtv. 
Schell in (Deutschnat.) bezeichnete den Frankfurter ^traßen- 
bahntarif als besonders hoch und sprach sich ebenfalls für Herab 
setzung der Fahrpreise auf 10 Pfennige aus. Stadtrat Dr. 
Schmude eAlärte, daß der Magistrat bereit sei, dem sozialdemo 
kratischen Antrag näher zu treten, wenn die stärkere Frequenz der 
letzten Wochen anhalte. Der socialdemokratische Antrag wurde 
angenommen» 
* 
Zu der Durchführung des Beamten-MbaugescheS lagen ver 
schiedene Anträge vor, die das vorläufige Weiterbestehen der alten 
Sätze der Uebergangsgelder fordern. Sie wurden ange 
nommen. 
ch 
Stadtv. Landgrebe (Lib.) begründete einen bereits von der 
Reichsrezierung angenommenen Antrag, der die Schaffung und 
Beibehaltung von U e L e r g a n g s kl a s s e n an den Mittelschulen 
und höheren Schulen bis zur endgültigen Regelung der Ange 
legenheit fordert. Stadtrat Meckbach bezeichnete es als wün 
schenswert, wenn die Verscmrmlung im Sinne des Antrags be 
schließe. Er wurde angenommen. 
Nach einer Aussprache über eine Veröffentlichung der All 
gemeinen O^skrantenkasse im Städtischen Anzeige 
blatt stellte Stadtv. Nelles (Zentr.) eine Anfrage, die von dem 
Magistrat verschiedene Auskünfte über die Berechnung des 
Gaspreises erbat. Stadtrat Schulz erteilte in längeren 
Ausführungen Bescheid und Oberbürgermeister Voigt erklärte 
noch, daß die Kalkulat-on des Gaspreises von einer Sachverstän- 
digen-Kommission geprüft worden sei, und der Preis den tatsäch 
lichen Verhältnissen entspreche. Zum Schlüsse stellte Stadtrat 
Schulz eine Ermäßigung des Gaspreises in baldige Aus 
! sicht. Stadtv. Dr. Goldschmidt (Dem.) wies darauf hin, 
daß Lei der Schwierigkeit der heutigen Steuerberechnung 
mancherlei Unklarheiten beständen, über die es dem Steuerzahler 
an der nötigen Aufklärung fehle. Von der Steuerverwaltung aus 
könne immerhin einiges geschehen, um dem Steuerzahler seine 
Pflichten zu erleichtern. Zunächst läßt sich denken, daß als Multi 
plikatoren einfachere, runde Zahlen gewählt werden, ferner wäre 
die Aufforderung zu den Steuerzahlungen wieder in deutlicher 
Sprache an den Litfaßsäulen anzuschlaqen. Solange die unbe 
ständige Währung dauert, sollte jedenfalls alles geschehen, um dem 
geplagten Steuerzahler entgegenzukommen. Stadtrat Langer 
versprach Verwertung dieser Anregungen. Zum Schlüsse wurde 
die Verweigerung der Säle des Voltsbildungs 
heims für die Zwecke der Vaterländischen Verbände und der 
Deutschnaftonalen Volkspartei zum Gegenstand der Erörterung ge 
macht. Nach Beendigung der Tagesordnung gab Stadtv. Hopf 
einen 
Schluß-Rückblick 
über die Lage im Jahre 1923 und Unen Ausblick auf unsere künf 
tigen Ausgaben und Pflichten; er führte aus: 
Vaalbeek-Aussiellung. 
cMdn Kunstgewerbemuseum sind zur Zeit die großen 
MwMaphischen Aufnahmen der Meßbildanstalt von den T e m- 
dRiÄffi nen m Baalbeek zu sehen. Die Ausgrabungen, die 
dort rn Hen Jahren 1900 bis 1904 auf Wunsch des ehemaligen 
Kaistrs Veranstalter wurden, haben zur völligen Freileguug der 
Ruinen geführt. Der Tempel des Jupiter Heliopolitanus, 
ekfte Schöpfung der ersten nachchristlichen Jahrhunderte und ge 
wiß das schönste antike Heiligtum Syriens, erhebt stch in der 
reichen Ebene zwischen Libanon und Anftlibanon auf einem Fun 
dament von siebzehn Metern Höhe. D!e Rekonstruktionen ver 
schaffen ein gutes Bild der gewaltigen Anlage. Riesige Freitrep 
pen führen zu den Propyläen empor, an die stch der von den 
Säu enhallen umgebene Tempelhof schließt; gegenüber liegt der 
Tempel selber, von dessen Größe noch einige Säulen zeugen. 
Spätkorinthischer Stil mischt sich mit syrischen Architekturmotrven, 
und an Friesen und Decken entfaltet sich üppig eine schon stark 
naturalistische, doch immer gebändigte Ornamentik Der 
Hof wurde in den folgenden Jahrhunderten ganz verbaut. Eine 
frühchristliche Basilika siedelte sich in ihm an, und später wandelten 
die Arader den ganzen Komplex in eine Festung um. Besonders 
gut erhalten ist der kleinere Bacchustempel nebenan, dessen 
hohe Innenwände durch Halbsäulen und Nischen gegliedert sind. 
Von den Ausmaßen der Bauten geben aufgefundene Quaderblöcke, 
die 22 Meter lang unh über sechs Meter breit sind, eine ungefähre 
Vorstellung. Die Photographien, die der A n t i k e n - A b r e i- 
lung des Alten Museums in Berlin entstammen, wirken 
Dank ihrer Größe wie Projektionen auf die Leinwand und berück 
sichtigen Landschaft und Gesamtbild nicht minder wie das Detail. 
Sie bilden den Grundstock des von Tbeodor Wiegand heraus 
gegebenen dreibändigen Monumemalwerks über Baalbeek, dessen 
beiden ersten Bände bereits erschienen sind. Lr. 
--- F lm im Film. In den Alemannia-Lichtspielen läuft der 
Film „S e e l e n h a n d e l", ausnahmsweise keine Groteske, wie 
sonst amerikanischer Import stets, sondern ein naturalistische 
Schauspiel. Die Fabel hat nur insoweit Bedeutung, als sie dazu 
dient, das Leben in der Filmstadt Holywood bei Los Angele- 
zu entrollen. Dieser Blick hinter die Leinwand ist wirklich sehr 
unterhaltend. Man zieht mit Regisseur und Filmoperateur in die 
kalifornische Einöde hinaus und kurbelt arabisches Nomadenleben 
mit, oder beteiligt sich an der Herstellung eines Zirkusfilms, der 
trotz v-eler Fährnisse (Gewitter, Zirkusbrand usw.) schließlich doch 
zustande kommt. Zugleich wird man des Hochgefühls teilhaftig, den 
Werdegang eines veritablen weiblichen Filmstars verfolgen zu 
dürfen. Das junge Geschöpf, das irgendwo in Californien aus dem 
Zug springt,um seinem gefürchtetenMann (Heiratsschwindler,Mör- 
der usw) zu entgehen, läuft schnurstracks einem Wüstenscheichnebst 
Kamel in die Hände, der in Wahrheit — aber was ist hier Wahrheit ? 
erster Liebhaber der Mnuruppe ist. DasMärchen ausTausendund 
eine Nacht entpuppt sich ihr bald als ernste Wirklichkeit. Gar so einst 
ist diese Wirklichkeit freilich nicht, denn Liebhaber undRegisseur ver 
lieben sich schleunigst in den Findling — jener aus Beruf, dieser aus 
Neigung — und erleichtern ihm die ersten Schritte im Reiche der 
Jupiterlampen. Bald ist die Diva fertig, deren Ruhm alle Litfaß 
säulen in alle n^rdteften künden. Operateure drehen sie in jeder 
Leb uAage, und sie lächelt wie eine Königin. Daß sie schließlich 
die ehftame Gattin des Regisseurs wrrd, ist eine reine Privat- 
ang egenheir, die ihre Größe nicht zu mindern vermag. Tue Auf-: 
nah ren sind tecknilch vollendet, zumal die Panikszenen bei dem 
Zir usbrand steigern die Kinowirkung bis an die Grenze des Mög 
lichen. — Porher zeigt sich Harald L l o y d in einer amerikanischen 
Groteske: ungeschickt, roh und kindlich wie immer. rae. 
Peter der Grosich Der Film, der im NationMheater spielt, 
sucht an PrachtentMung und getreuer VerlebeMgung histori 
scher Einzelzüge seinesgleichen. Die Strelitzen marschieren auf. 
Episoden aus der Schlacht von Pultaw-a ziehen vorübet und 
auch ein kaiserliches Prunkgelage ersteht im Bild. Das Massen 
aufgebot kennt kaum Grenzen, die Mannigfaltigkeit der schnell 
wechselnden Hintergründe ist schwer zu überLieien. Auch in der 
Gruppierung der Szenen scheint die Filmregie nachgerade aus 
gelernt zü haben. Sie versteht sich auf Kontrastwirkungen ebenso 
sehr wie auf konzentrische Umkreisung des jeweiligen Themas, 
schließlich aus die Verbildlichung von Gedanken und Stimmun 
gen. Bliebe nur noch Zu wünschen, daß sie ihhen großen Apparat 
und ihr ganzes Können der Darbietung solcher Stoffe dienstbar 
machte, die wirklich dem Geiste des Films gemäß sind. Historische 
Stoffe stnd es nicht eigentlich, weil sie Menschen und Dinge in 
ihren natürlichen Zusammenhängen belassen. und zu wenig Ge 
legenheit zur Verkörperung des Unwahrscheinlichen und Phantasti 
schen geben. Ihre Darstellung erinnert immer noch ans Theater, 
und erst wenn der Film jede Spur von der Bretterbühne abge 
streift hat, ist er ganz Leinwand . . . Im Mittelpunkt des Stücks 
steht Emil Ianningsals Aar Peter. Er übersetzt das Geistige 
vollkommen in die Sichtbarkeit; Brutalität, Schlauheit, Gutherzig 
keit, angeborene Herrschergabe, Mächtigkeit des Willens und natur 
Haftes Wesen gestaltet er in Geste, Schritt und Blick, und stets 
hält seine überragende Erscheinung alle Kräfte und Gegenkräfte 
zusammen. Die Darsteller der Katharina, des unglückseligen Alexei 
und des Mimsters Mentsch-ikoff (Bernhard Goetzke) bleiben kaum 
hinter ihm., zurück, und auch das EnsemblespiA ist mehr als nur 
Staffage. Das verschiedentliche Abweichen der Handlung von dem 
historischen Tatbestand mag hingenommen werden. rae.
	        
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