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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Siadtkammerer Pros. Bleicher sprach» sich für Überweisung 
der Anträge an die NosstandZdepuwtion cmZ. Dieser Vorschlag ging 
durch rnit der Maßgabe, daß Stadtv. Lang zu den Beratungen 
ZugeZogÄN werden solle. 
Führender Frankfurter Sozialdemokraten, sein volles Einver 
ständnis mit den Worten des Referenten aus und legte gleich 
falls Verwahrung gegen den Antiseminsmus ein. Ein anderer 
Redner, der sich ausdrücklich als Nichtfude bezeichnete, bekannte 
seine Enttäuschung darüber, daß die Versammlung nicht ener 
gischer dem deutsch-völkischen Fascismus entgegengetreten sei 
und trat dann für seine kommunistischen Ueberzeugungen ein. 
Nach der vergeblichen Aufforderung des Vorsitzenden, es möge 
ein Vertreter der deutsch-völkischen Iudenhaffer den Mut-finden 
und das Podium besteigen, beschloß der Referent des Abends 
mit knappen Worten der- Entgegnung die Versammlung, die 
trotz der in diesen Tagen angespeicherten Erregung im ganzen 
hier wie überall zu Einschränkungen. Mit scharfen Worten 
sprach sich der Stadikämmerer gegen das Verhalten der Ver 
sammlung aus, das nicht dazu gssi^net sei, den Kredit der 
Stadt Frankfurt hochzuhalten, hätten doch die wenigsten Redner 
bei ibren Ausführungen sich um die allgemeine Finanzlage und 
die Notwendigkeit einer Deckung des städtischen Defizits nur 
im geringsten gekümmert. Stadtv. Kirchner polemisierte 
in seinem Schlußwort gegen die Erklärungen des Kämmerers 
und bat um Annahme der Anträge des SchuLausschusses. 
Stadtv. Korff (Dem.), als Berichterstatter des Hauptaus 
schusses, drückte seine Empörung darüber aus, daß die meisten 
Redner sich von ihrem persönlichen Interesse hätten leiten lassen, 
ohne des Allgemeinwohls eingedenk zu sein. Bei der Abstim 
mung wrrrde der Hauptausschußantrag auf Fortfall der dnitten 
Turnstunde abgelehnt. Annahme fand mit 41 gegen 33 Stim 
men bei namentlicher Abstimmung der Antrag des Schulaus-- 
schusses, der die Reduzierung der^PstichLstundenzahl an den 
Fachschulen verwirft. Der Antrag des Hauptausschusses, die 
Lernmittelfreiheit nur Bedürftigen zu gewahren, wurde aöge- 
lehnt. Im übrigen fanden alle Anträge des Schulaus- 
schusses An nähme. 
O 
Die von uns zrnn Teil schon veröffentlichten Anträge des 
Hauptausschuffes Zum Nachtragsetat, betreffend Wohlfahrtsamt, 
Jugendamt, KriegshinLerbliebeneru' und Kriegsbeschädigten 
fürsorge HochbauamL, Museen. Bibliotheken, Theater-Aktiengesell 
schaft, Zoologischer Garten wurden ohne weitere Diskussion ange- 
nommerr. 
Vsrsbiedcne Anträge des LLefbauMusschuffes erl-edigten sich 
deLaLleloZ. 
Eine vom sozialpolitischen Ausschuß besürwortete Unter 
stützung der jugendlichen Erwerbslosen wurde 
angenommen. 
Den von uns bekamrtZegebenen Anträgen des Schubmsschusses 
zur Schulgeld-Staffelung trat Stadtv. Lang (Komm.) 
mit einem eigenen Antrag entgegen. Die Schulausschuß-Antrage 
fanden einstimmig AnnaLme. 
Um die Erhaltung oes Luft-, Licht- und Sonnen 
bades auf dem Sachsenhaufer Berg noch für einige Zeit zu er 
möglichen, schlug dar Stiftungs-Ausschuß vor, den Besitzer deS 
Terrains darum Zu ersuchen, dem Verein eine Raumungsfrist von 
einigen Monaten Zu gewähren. Ein von Stadtv. Mühlig (Soz.) 
eingebrachler Antrag Hnßwolf, der Enteignung des GelSn^s 
fordert, wurde als ErgSnzungZantrag zum Antrag des SMungs-- 
Ausschusses angenommen. 
Der Vorschlag des SchulauZschusses, die Verlängerung 
der Osterferien um eine Woche einheitlich für alle Schulen 
am Ende der regulären Ferien vEunehmen, fand ebenfalls Ge 
nehmigung. Dafür sollen die Pfingstferren gestrichen 
tverdm. Zu bezweifeln sei freilich, wie der Berichterstatter Stadtv. 
Pros. Zink, hervorhsö, ob der Minister auf diese Regelung ein- 
Mhe. 
BEmpftmI des WmherS mrd der Teuerung. 
Stadtv. Lang (Komm.) begründet einen dringlichen Antrag, 
der den Ausbau der Preisprüfungsslelle, die Lieferung von Brenn 
stoffen an Minderbemittelte und eine Staffelung der Preise für 
Gas, Wasser usw. fordert. Stadtv. Mayer (Soz.) vertrat 
namens feiner Fraktion den folgenden Antrag Thomas: 
^Die Swbwsrsrdneten-Versamml^ wolle beschließen, den 
Magistrat zu ersuchen: 
I. zü veranlassen, daß schärfste Kontrolle der Versorgungs 
regelung der Lebens- und Gebreuchsmittel durchgeführt wird, 
ferner allerschärfste Bekämpfung des^Schieber- 
u n d W u ch e r L u m s; 
II. scharfe Beobachtung und Handhabung der Vorschriften 
über die A r b e i t s st r e «jun g bei Gefahr der Arbeitsstockung. 
Der Magistrat möge an die Dsmobilmachungsbehorden heran 
treten, um diese bei einirEnden Arbeitseinstellungen Zu ver 
anlassen, die gegebenen Vorschriften strengstens Zu beachten, 
insbesondere starke Kontrolle bei Miriebseinstellungen über deren 
Notwendigkeit. 
II!. Größte Fürsorge inLezug auf NaLuralverpflegung für 
Erwerbslose, ELwerbsbeUBEe und sonstige VersotogungZ- 
öerechtigte. Schleuniger Ausbau der Volksküchen, 
besonders für Alwrsrentner, der Schul- und Frühstücksspeisung. 
IV. Abgabe billiger Leöensmittel sowie Brenn 
stoffe (Holz, Kohlen, Gas) und Bereitstellung von Fonds zu 
ihrem Ankauf zwecks Abgabe an Unbemittelte. 
V. Beschleunigte Bereitstellung von Mitteln für Zwecke der 
produktiven Erwerbslosen - Fürsorge. Es ist 
besonders eins Belebung der Bautätigkeit zu ver- 
muessen, um darE gleichzeitig den fs notwendigen Wohnraum 
Sksdlveksrimelen-Versammluus. 
Sitzung vmn 20. FeLrurrk. 
Nach debattelose- Erledigung einiger Vorlagen stellte 
SiadLW Dr. EpstLin (dr^.) erneut den folgenden Antrag zur 
Abänderung der Der gn'üGu n g Ast ern er, her 
Magistrat nicht zugestimmt hatte: 
„Die StadtverEdnetErv-VersMuM ersucht den Ma 
gistrat, bei Vorträgen Wissenschartlichen, Politischen oder welr- 
arrschaul-ichen Inhalts von Erhebung einer VerZrLZungs- 
steuer aLzusehen nicht nur, wenn die Veranstaltung 
geltlich ist, sondern entsprechend dem Beschluß der Etadtver- 
ordnLtLn-VersamuMng vom 6. Februar 1923 immer dann, 
wenn sie ohne Absicht auf Gewinn unternommen ist." 
Stadtv. Pros. Dess au er (Aentr.) protestierte im Inter 
esse der Vermittlung Listiger Güter gEHen den Beschluß des 
Magistrats und fragte an, ob es sich bei die fern Beschluß um 
eirwn Irrtum handiE» SLadtrat Dr. Langer be stritt, daß 
durch die bisherige Handhabung der Vergnügungssteuer die Ver 
breitung der Bildung gehindert worden sei. Er bezeichnete es 
als möglich, Veranstaltungen gemeinnütziger Art steuer 
frei M lassen und bat um dementsprecheude Abänderung des 
Antrags, Der Antrag Epstein wurde einstimmig angenommen. 
Erhöhung der StratzenLahntsrife. 
SMtv. Nolles erklärte M Berichterstatter des Haupt- 
vusschusses, daß die neuen Sätze, die der Ausschuß bereits ge- 
DehmigL habe (Mindestfahrpress WO Mkch vorderhand 
noch nicht in Kraft Lveten sollen. Ern Antrag Lang, dem 
Hauptausschuß das Recht der Festsetzung der Trambahntarife 
wieder zu entziehen, wurde abgelehnt, dagegen fand ein Antrag 
des HauptauZschussLs Annahme, der die Einführung -eines er 
höhten Straßenbahntarifs für Ausländer vorsieht. Zu.- 
gestimmL wurQe ferner der Gewährung einer FahrpreiHermäßi- 
gurcg^ für di^ Besucher der Hochschulwoche. 
SpawlaßnohnEN im Schulwesen. 
Stadtv. Korff (Dem.) berichtete für den HauvkaWschuß 
Lezw. für Via Siebener-Kommission über die vorgesehenen Er 
sparnisse im Schulwesen, Die entsprechenden An 
trags des Haupk^usschmsses sind von uns bereits mitgeteilt 
wordsn. Die Stellung des SchulauZschusses zu den Sparmaß 
nahmen des Magistrats gab Stadtv. Kirchner kund. Danach 
beantr^t der SHuLausschuß die vom MaoMrat vorgeschlaoene 
Erhöhung der Klaffenfreguenz ebenso abzustchnen wie eine Ra- 
duziLrung der UnteinnchtSsturck^nz auf 6 bezw. 4 Stunden. 
Diese Beschlüsse stünden im WiderfzTruch mit Beschlüssen der 
oberen städtischen Behörden. Dagegen versucht der Ausschuß 
den Magistrat über die Erhöhung der Vflichtstundenzahl der 
Lehrer (und zwar der Lehrer aller Kategorien) mit der 
Lehrerschaft zu verhandeln. Stadtv. Honig (Zentr.) stellte 
den Antrag, der Magistrat möge sobald als möglich eine Vor 
tage über die Gewährung größerer Lernmittelfreiheit ambrin- 
gen. StadLvai MeckbaH rechtfertigte nochnwls die vom Ma- 
Mvat öorgeschlagsnen Sparmaßnahmen, die im Interesse der 
städtischen Finanzen unerläßlich seiEm Die Erhöhung der 
PflichistundenAchl der Lehrer sei übrigens noch nicht endgültig 
beschlossen worden. Stadtv. Lorey (Soz.) erklärte sich mit den 
Anträgen des SchulauOschu-sses im allgemeinen einverstanden. 
Er wandle sich besonders gegen di? Sparmaßnochmen im Fach- 
schultSesen urcd ernpfahß hierin weiteroshen-d als der Schulaus- 
fchuß, die Tusdehnung des Werkunterrichts. Im Ver 
lauf seiner folgenden Ausführungen erörterte er im einzelnen 
die Stellung seiner FraMon zu den Magistratsbeschlüssen. Nach 
längeren Darlegungen des Stadtv. Lang (Komm.), der den 
Magistrntsbeschlössen woiLgehende Forderungen entgegensetzte. 
ergriff Stadtv. Dr. H an au er (DEM.) das Wort. Er sprach 
sich u. a. gegen die Erhöhung der Massenfregumrz aus, forderte 
Ausbau des Turnunterrichts und warnte vor einer Ueber- 
spannung der SpavnmßnabM-en auf Kosten der Jugend. Stadtv. 
Laudgrebe (Lio.), der auf die finanzielle Notlage der 
Stadt urch die Verantwortung der Stadwersrdneten-Vsrsamm- 
kung hmwiss, emvfahl ^dringend die Annahme der Beschlüsse» der 
Siebener-Kommissin. Ein von ihm gestellter Antrag fordert 
die Beschränkung der Pstichtstunden^ahl an den Fachschulen auf - 
das gesetzliche Maß. Im Anschluß an Aeußerungen des Stadtv. 
Schütz (Dem.), der sich im wesentlichen gegen die Erhöhung 
der Klassenfreguenz und der Pflickststundenzah! aussprach, 
warnte Stadtv. Walther (Dom.) im Interesse der Ausbil 
dung des gewerblichen NachwuchscK vor eiE generellen Redu 
zierung der Stundenzabl in den Fachschulen ouf 6 Stunden 
und erklärte, daß sich die SchulwerkstäLter selbst erstellen, 
SLadikämmerer Pros. Bleicher richtete den Ävpell an die 
SLadwewrdueten-Vrr^ die Magiitraisbsschlüsse Zu g§- 
nehmigen. Die allgemeinen GesichtsMnktL müßten^ voran ge 
stellt werden, man komme nie zum Spcwen und versündige sich 
nur am Volk, wenn man immer die Wünsche der Interessen^ 
ten berücksichtige. Eine Reduktion der Schulen sei 
unum g ä ngli ch, das riesengroß cnrschwelleV.de Defizit nötige^ 
Stadtv. Dr. Hanauer (Dem.) fragte cm, was der Magistrat 
dagegen Zu tun gedenke, taß sich mrch Aufhebung der öffentlichen 
Hmiser die Unierkünftsverhältnisse der über die ganze Sradt Zer 
streuten VrostLLution wesentlich versKlechtLrt hätten und da 
durch Zahlreiche neue sanitäre und mmülW? Jnftklisusquellen ge 
schaffen seien. Er regte die Schaffung eines Prostitutionspslege- 
amts an, wie eZ schon in anderen Städten bestehe. 
SLadtrat Dr. Schlosser betonte, daß nicht die Stadtverwal 
tung, sondern die Polizei in dieser ÄnMeg-eMeit zuständig sei. Eine 
Wiedereröffnung der betreffenden Häuser konns der Polizei nicht 
'Zugemulct roerdsn. Im übrigen sei die Zahl der GeschlechMmnken 
;eit Aufhebung der Bordelle nicht gestiegen. Unangenehm empfun 
den werde lediglich die Störmrg des Straßenbildes, aber da es sich; 
überhaupt nur um 74 Prostituierte handle, ließe sich schon um dieser 
geringen Zahl willen nicht an die NückgängiMMung der einmal 
getrosteren Dtaßnahme denken. 
Schluß der Sitzung um 5L10 Uhr.
	        
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