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Metadata: H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

g die Chauffeure umher wie Seeleute. 
üün üch 
Es 
in den 
fühlen. 
Empfang in den Dolomiten. 
Boze«, Anfang September. 
kann nicht gut geleugnet werden, daß die Italiener 
ehemals K. K. Oesterreichischen Dolomiten sich heimisch 
Ihre zahllosen Autos nehmen die bedenklichsten Kurven 
reiedende LerüeksiedtixunF kindet. Die ausssereiednete 
Arbeit des ^Viener Lniversitatsprokessors Hans Lidl: 
„^.uFust^n und die Latristik" (Land 10/11, 
462 Zeiten) gewährt einen Lederdliek über die Oedan- 
kenwelt der ersten christlichen ladrdunderte. Zie dedt 
dei dem Le^inn der ideologischen Zpekulation an, Zedt 
auk die däretisede und edristliede (lnosis ein und rüekt 
die Darstellung der Ledren ^.u^ustivs in den Mittel 
punkt. Der IVert des mit dem achten «ladrdundert ad- 
schließenden Luodes destedt in der überall auks V^esent- 
liekste ^eriodteten Odarakteristik der vielen Z^steme 
und Destaden, die jene um die ^usdednunF des Odri- 
stentums ringende Lpoede erfüllen, losepd Lern- 
darts kluges Lued: ,ft)ie pdilosopdisede 
N^stikdes Nittelalters" (Land 14. 291 Zeiten') 
xidt eine spraedlied intensive Darstellung der distori- 
seden Drsedeinun^skormen des mystischen Gedankens, 
die umrankt wird von Hinweisen auf seine antiken und 
Znostiseden Ursprünge und auk seine RachwirkunFön 
in der neueren Ldilosopdie. Vortrefflich ist die Linlei- 
tunA, die über das Verdältnis der ^stik 2ur Leli^ion 
einige klärende ^.ussa^en maedt. Die 2usammen- 
dränAun^ der Ztokkmassen auk en^en Laum küdrt mit 
unter ru aÜM ad^ekürzer Lede. — Das ledendi^ ^e- 
sedriedene Lued von Drok. Oav v. Lroekdorkf über 
Desoartes (Land 16/17, 226 Zeiten) de^reikt die 
Ledren des Denkers aus idren eigenen VoraussetLun^en, 
odne darüder des Leit^esediedtlieden Hintergrundes ru 
vergessen. Die Weiterbildung des Lartesianismus und 
die verwandten Z^steme von Oeulinex und Naledranede 
sind in dis Darstellung mit Bindebogen. -- Liedard 
Hönigswald legt in seinem Werk: „D o d d e s 
und. die ZtaatspdLlo^opdie" (Land 21, 297 
Zeiten) die vielen Denkmotive, die sied in den svsrerna- 
tisoden Oedankengängen des engliseden Ldilosopden 
kreuzen, rein lieb auseinander, schmiegsame Interpre 
tation der analytischen Netdode mit kritiseden Lrörte- 
rungen dureddringend. Line willkommene LrgänLung 
der Lrodlementwieklung dildet der deigegebene be 
dang, der die Ztaatspdilosopdie von der Lenaissanee 
dis rur ^.ukklärung skiWiert. — .,Die kranLÜsisede 
^ukklarungspdiloLopdie" (Land 25, 168 
Zeiten) wird von Oskar Lwa! d in flüssigen ^usküd- 
rungen bedandelt, die das Denken der Lpoede als 
(langes und seine gemeinsamen geistigen (Grundlagen 
klar derausardeiten. Die Darstellung steigt von Oon- 
dillae 2u den Ln^klopädisten an, verfolgt den siegreich 
vordringenden Materialismus und mündet in die Le- 
trachtung Lousseaus ein. — Zedließlich ein Wort noch 
rm dem Laut- Lued Leiningers (Land 27/28, 313 
Zeiten). Ls entwiekelt in allgemeinverständlieder. Weise 
die kritiseden (Grundgedanken Lauts und legt Zugleich 
den Werdegang seines Denkens bloß. Indem die Dar 
stellung nachdrücklich betont, daI Laut von der Bat- 
saeds de« Lmpkindungsmaterials (riedtiger: Lrkadrung) 
ausgegangen ist, grenzt sie idn deutlied von seinen dlaed- 
kolgern ab, die jedes Oegebene Luletxt verklüedtigen. 
^ndänger und Oegner sind medr kursorisch beda^delt; 
unter diesen vermißt man mit einigem Ledauern Lran2 
v. Laader, dessen Lant-Lritik wodl eine Lrorterung ge 
lob nt dätte. Lr. 
6«? pkiiosopkie 
in Hnreldai'LlrUungen. 
Die von Oustav LalLa kHrausxeZbdsue Zarurnlun^ : 
„HsseLiedte äer ?dNo80pkitz in Linse t- 
ckarsteNunFe u", äie des Lrust keindarät in iMn- 
edeu iu Lwan^Ioser Lol^e ersedeint, unterLedeicket sied 
äured äie bei idrer deko^ten Oruuäsätss m 
manoder Kinsiedt von Hen disderiZen pdilo8opdie- 
^esediedtdeden Werken. 8Ie dedt an init einer äem 
^Veitdilck cker Lrinütiven unä der LdüoLopdie des Nor- 
xenIaodeZ Zewidineten ^.dteilunA und dedandelt dann 
in etdoden weiteren ^.dteilun^en die §68ainte adend- 
iLndisode ?diio8Opdie von der Antike dis su dlietssede 
und dem enssliseden Lrnpirisrnus. dede ^dteilun§ urn- 
laN niedrere Lande, die von verschiedenen Verfassern 
derrüdren und jeweils einen lüdrenden Ldiiosopden 
oder eine wesentliode ^eistiM Ltröniun^ in den Nittel- 
pundt rüeden. 6ewik rna^ eine soiede ^erle^un^ in 
Londeruntsrsuedunxen den Medteil daden, dad die 
VerdindunMlinien kedlen, die von einer Lpoede Lur 
anderen leiten, und inanni^laede, olt kaum su ver 
einende ^.ulkassunFen su V/ort ^eiag^en. Oakür oder 
dildet der einselne Land ein abgeschlossenes Oanre, in 
dein ein de^renLtes Oediet nun wirklich einAede^de, 
nur idrn Lu^ewandte ^Vürdi^unA erkädrt. Die Nono- 
Zrapdien vermitteln durchweg die Lr^ednisse eigener 
tzueHenkor8chunA, und odwodl sie sied an didi^er 
Lopularisierun^ niedt Fenü§en lassen, ist die varstel- 
lunF doed so xedalten, daü der gebildete Leser idr un- 
sedwer lolgen kann, ^usküdrliode Anmerkungen und 
ein stets dei§eküFter didlio^rapdiseder ^VeZweiser er- 
leiedtern dem ^Veiterstredenden die seldständi^e Lort- 
setxun§ seiner Ltudien. 
Von den geplanten vierrü^ Länden des Lnterned- 
mens ist dereitg medr als die Üälkte ersedienen. Lin^e 
liefen uns vor, und man erkennt aus idnen mit Oenu^- 
tuunA dak das von der LdilosopdiegeKediedte so ver- 
naedlässiFte N-ttelalter in der Lammlun» din- 
— 
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» 
aus düm Land. Vorne auf dem Kühler eines vornehmen Autos 
sitzt ein metallener Bully mit der zierlichsten Halskrause der Welt, 
genaues Nachbild eines Hündchens, das sich in Ermangelung 
hochrassiger Gesellschaft nahebei einsam vergnügt. 
Daß die Gendarmerie nicht fehlt, ist eine pure Selbstverständ 
lichkeit. Die Erscheinung der Carabinieri wirkt pompös, doch sie 
verblaßt neben dem Fascistentrupp, der aus verborgenen Gründen 
mit den Gewehren hantiert. Jeder dieser Jünglinge ist durchaus 
ein römischer Legionär und von dem Bewußtsein getragen, daß 
das Vaterland hier und jetzt zu entscheidenden kriegerischen Taten 
seiner bedarf. 
An gewissen ausgezeichneten Punkten spannen sich Guirlanden 
über die Straße, die der Bewillkommnung und dem Bildabschluß 
dienen. Hinter den Tannenhügeln wächst der Langkofel auf, der 
sich um die Angelegenheit zu seinen Füßen weiter nicht kümmert. 
Zur Bekundung seines Destnteressements hat er mit einem leich 
ten Wolkenschleier sich umhüllt. 
Das Ganze gleicht dem Finale einer veristischen italienischen 
Oper. Das Ensemble in seinen SLilkostümen ist bis auf die 
Heldin vollzählig zur Stelle, Solisten und Statisten erwarten das 
Zeichen zum Einsatz, und alles drängt der großen Schlußapo 
theose zu 
Nun wirklich löst sich der Bann. Das lebende Bild gerät in 
scheinbare Verwirrung, und die Kapelle stimmt eine fröhliche Weise 
an, die sämtliche Mitwirkende zu rhythmischem Händeklatschen be 
geistert. Was ist geschehen, was geschieht? 
Ein blumengeschmücktes Auto kommt angefahren, es hält am 
Platz, der Chauffeur öffnet beflissen und eine perlgraue Dame ent 
steigt, die huldvoll die Zähne zu einem Lächeln entblößt. Die 
englisch aussehende Dame ist dieDuchsssa d ' A o sta, die Ge 
mahlin eines italienischen Generals. Sie hat geruht, den Festakt 
durch ihre Gegenwart zu beehren, und in der Tat: ihre Anwesen 
heit schon verbreitet einen Glanz, der berückt. 
Die folgende Szene ist einer Steigerung kaum noch fähig. Sig- 
nore und Signori verfolgen, ohne an Distinguiertheit einzubüßen, 
jede Bewegung der hohen Dame, die in gemächlichem Tempo 
zwischen Jungfrauen und Honoratioren, Kameras und Gewehren 
entschreitet. Die schwarzhemdigen Legionäre blicken verwegen, die 
grünen Musikanten blasen angestrengt, und manche Einheimische 
werden durch Anrede geehrt. Der Höhepunkt ist erreicht, und das 
italienische Publikum zumal schwimmt in Leutseligkeit, Wonne 
und Kulissenpracht. Der heitere Spektakel fügt sich zuletzt von 
selber Zum hierarchisch geordneten Zug, der im Mittagsdunst nach 
dem asilo infantile entschwebt, das in rotweißgrüyem Fahnen 
schmuck seine Protc^H^ schc^ von weitem begrüßt. 
Signore-und Sü Kri zeHreuen sich nach dem Empfang und 
überlassen die weiten Ereignisse ihrem Verlauf. Auch das Auto 
mit dem künstlichen Lad natürlichen Hündchen rast in der Richtung 
ohne Signal und knattern mit offenem Auspuff daher, voller 
Genuß am eignen Geräusch. Was die Herrschaften betrifft, so 
tragen sie nobles Schuhwerk, das die Schlankheit weiblicher 
Knöchel im besten Lichte zeigt und geringe Neigung zu touristischen 
Unternehmungen verrät. Wozu auch allzu tief sich einlassen mit 
jenen oft barbarischen Naturdingen, die als Hintergrund unver 
gleichlich sind? Den Mantel über die Schultern und in farbigen 
Umhängen entfaltet man sich auf der Hotelterrafse oder schlendert 
gesellig durch die Landschaft, gar nicht blasiert, sondern erfreut 
durch sich selber und anmutig an Gebärde. Die Signore wissen 
sich zu bewegen und bewegen sich wissend; die Signori, bartlos 
zumeist und schmalen Gesichts, sind von charmanter Unsachlichkeit 
und als Kavaliere vollendet schlechthin. 
Darf man sich gar zu einer nationalen Festlichkeit vereinen, 
so ist die Beglückung groß. Gelegenheit zu dergleichen Improvisatio 
nen bietet sich in den neuen Provinzen ungesucht. Die Nation 
errichtet hier Heime für italienische Soldatenkinder, und die schönen 
Gesinnungsmonumente, die in der zuträglichen Luft allenthalben 
gedeihen, verlangen nach würdiger Bestätigung ihres nicht nur 
humanen Zwecks Man findet sie etwa im Grödner Tal, ja, man 
findet, um es genau zu sagen, in St. Cristina eines von ihnen, 
das der Eröffnung eben harrt. Es einzuweihen, ist der Sonntag 
zumal geeignet, und welcher Sonntag käme mehr in Betracht als 
der, an dem die Bevölkerung Kirchweih begeht? 
Man versammelt sich also unter Mittag auf staubiger Land 
straße und wartet, wie es sich ziemt. Da ist zunächst das Volk, in 
seiner Farbenpracht anzuschauen wie eine exotische Vegetation. 
Es spricht sein ladinisches Idiom, dessen Wortgebilde phantastischer 
als die Grödner Dolomiten sind. Die Burschen mit grünen Westen 
und arünen Federn auf dem Hut haben sich zu einer Kapelle for 
miert, die bestickten Jungfrauen umsäumen weiß und geduldig den 
Weg, der zum asilo infantile führt. Dazwischen wandeln in Ge 
sellschaft etlicher Honoratioren drei Geistliche, die Hände bedacht 
sam auf den Rücken gelegt. 
Vor den Hotels, auf Balkönen und Veranden, steht die Menge 
der Zuschauer: Sommergäste und Passanten, die als Menge zu 
bezeichnen, beinahe an Despektierlichkeit grenzt. Man hat ziem 
lichen Auswand an Toilette gemacht, und eine Welle von Parfum 
durunhert die Lust. 
Bedürfte es eines Beweises für die Erlesenheit dieser Assemble, 
d'e ihn Der stattliche Wagenpark hält sich be- 
sc^ im Hintergrund am Rand der Chaussee. In seinem Um-
	        
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