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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

lob) 
— „Die letzte Droschke von Berlin". Dieses gut gespielte Stück, 
das die Ufa-Lichtspiele zeigen, geht ans Gemüt. Oder ist 
es nicht rührend, daß die Droschken mit ihren Gäulen dem Benzin 
haben weichen müssend Die Regie jedenfalls hat die Droschken- 
dsmmerung von der ergreifenden Seite her erfaßt, eine alte Welt 
geht unter, es ist tragisch. Lupu Pick als betaAer Kutscher erlei 
det das Martyrium in der Welt der Autos. Er harrt mit Liesel, 
der treuen Schindmähre, tagelang an seinem Standort, ohne daß 
ein Passagier sich zeigte. Schlimmer noch: seine Tochter hat es 
mit einem Chauffeur, sein Sohn erlernt den gleichen verhaßten 
Beruf. Welch eine Travestie auf die Schicksalstragödie hätte ent 
stehen können, wenn die Darstellung ins Groteske geraten und so 
die Kutscherkümmernis als Schein'enthüllt worden wäre! Man hat 
es vorgezogen, an die Herzen derer zu appellieren, die der guten 
alten Zeit ein vorwiegend sentimentales Erinnern weihen. Die 
Liesel in ihrem Stall, der geflickte Kutschermantel mit dem 
SchnauzLart, die aus dem vorigen Jahrh undert stehen gebliebene 
Zeitungsverkäuferin: das alles ist mit einem Glorienschein um 
wunden, der zum Weinen verleiten soll. Hat man der Romantik 
den pflichtschuldigen Tribut gezollt, so darf auf der anderen Seite 
freilich das moderne Berliner Leben nicht zu kurz kommen; schließ 
lich ist man doch von heute. Darum fahren die Jungen flott in 
ihren Taxis umher, darum sind auch die Töchter der altmodischsten 
Väter der Autodroschke ergeben. Die Kutscherssrau selbst, von Hed- 
wig Wränget trefflich auf „Milljöh" gespielt, ergreift die Par 
tei des Benzins, deren Anhänger sich samt und sonders als brav 
und tüchtig erweisen. Der Alte ist zuletzt von allen verlassen, weil 
er hartnäckig auf die vergangenen Götter schwört. Fast bliebe der 
Selbstmord ihm nicht erspart. Doch die Vorsehung, die in den 
Filmen stets ein Einsehen hat, läßt ihn in den Kreis seiner Auto 
Familie zurückkehren, und noch lange Jahre pflegt er seine Liesel 
in einem mit allen technischen Erfordernissen aus gestatteten Stall. 
— Die Szenenführung hält sich auf hohem Niveau. Man siehL 
filmisch ausgezeichnet gelungene Einzelbilder: den Vorgang des 
Straßenhandels, eine Kleinbürgershochzeit mit Typen aus dem 
Familienalbum, Wenige Augen werden trocken bleiben. 
Die Leigegebene Verfilmung des Frankfurter Brücken« 
festes beschwört die schöne Feier schön herauf. Die Stadt, die 
man kaum noch sieht, weil man sie stets zu sehen gewohnt: im 
Film, der sie distanziert, baut sie herrlich sich auf. Noch einmal 
stürzen im Bild sich die Zauberbäche der Feuerwerker von der 
neuen Brücke herab, noch einmal fahren die geschmückten Schiffe 
an den Menschenmassen und Häuserfronten vorbei. Auch aus der 
FkWLugS Werjchaut man die Feier von 
-- Ps.la Negn spielt Sud ermann. In dem nach Motiven des 
Supermann-Romans: „Das hohe Lied" komponierten Film: „Die 
Frau des Kommandeurs", den die Ufa-Lichtspiele 
zeigen, spielt Polo Negriein Frauenschicksal, das. naturalistisch in 
die Höhe geht und dann wieder herunter. Sie wird in "der Leih 
bibliothek der kleinen Garnison von den jungen Leutnants um 
' schwärmt, deren einer sie liebt, den sie wieder liebt; ewig/Trotz 
der Ewigkeit dieser. Liebe läßt sie sich vom Regimentskommandeur 
Heiraten, der schon'zu alt ist, um nicht eifersüchtig zu sein. Sie 
trifft den Leutnant im Hotel, der Oberst kommt dahinter, wirft sie 
hinaus und verwundet im Duell seinen.Nebenbuhler. Sie sinkt zur 
Lebedame empor, wird die Freundin eines Fabrikanten. Dennoch 
könnte, sie., noch den - Leutnant - gewinnen, kompromittierte sie 
jener nicht. Er tut es aus Liebe und nimmt sie zur/Gattin. Ent 
sagend sitzt sie am Fenster und denkt ihres Leutnants, der so jung 
war und so schön und eine Uniform trug. Die fehlende . Jugend 
ersetzt die Negridurch südliche Passioniertheit, das Gleiten ihrer 
Hände drückt die Bewegung des Innern aus. Es hat der geschulten 
und flüssigen Regie Buchowetzkys bedurft, um das altmodische 
Lebensdrama filmMig zü machen. Seine dem Naturalismus ge 
mäße Traurigkeit stimmt heute wirklich, traurig, und die Konflikte, 
die nicht, nötig sind, entspringen gesellschaftlichen Vorurteilen, Hie 
es so nicht wehr gibt. Dennoch enthält das^ Stück sehenswerte 
Szenen; ihrer raschen Folge wegen nimmt man die. Fabel mit. in 
Kauf. Die herrlichen Uniformen werden ihre Zugkraft nicht ver 
fehlen. --- .Den Film: „Ein Mann wird gesucht!" hätte 
manchem Publikum nicht zufügen dürfen. Er soll ein Lustspiel sein 
und macht doch melancholisch, weil er die verstaubtesten M 
unter h^x Zeitlupe Wir stehen noch mitten in der 
,/Sommersaison! - . -
	        
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