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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Gott weiß was ersehnt. Dort trifft sie ihn, den Herrlichsten von allen, 
der den MWen Tag auf den Bergen herumrennt, weil HZ so hoch 
sind und so keusch und Gott weiß was. Ein pathologischer Fall, die 
Hochtouristen sollten sich solche Karikaturen verbitten. Das rhhth^ 
Misch-gymnastische Mädchen fragt ihn, waZ er dort oben suche. 
„Mich selbst!" Auch die übrigen Bildtexte tönen von innen. Den 
Narren treibt es mit einem Freund, auf den eifersüchtig zu sein 
der Autor ihm verschreibt, eine Nordwand hinan, in deren Mitte 
er irrsinnig wird, und von Eisdomen träumt. Und PipM tanzt 
derweil unten und das alte Mütterchen weint. Daß die zwei auf 
ihrer Nordwand am Ende erfrieren, ist die gerechte Rache der 
Berge für ihre Schändung. Berge sogar lassen sich nicht alles 
gefallen. 
Die Naturaufnahmen,, um derentwillen diese VerfchrsbenheiM 
sich ereignen, sind Zum Teil wundervoll. Das Meer Leuchtet wie 
noch kaum je auf der Leinwand. Ein Skirennen in alle« 
seinen Phasen ist mit unerhörter Vehemenz gefilmt, die Bretter» 
spuren tauchen Zaub^strichen gleich auf. Neu entdeckt für den 
Film ist das Motiv der nächtlichen Skifahrt mit Pechfackeln; fern 
im Dunkel bildet sich eine verschwommene Lichtfläche, die zu rasch 
entschwindenden Flammen zerstiebt. Auch das Wallen der Wolken- 
schübe ist mustergültig verzeichnet. — In einige Photographien 
ist leider der Ungeist der Handlung gefahren. Sie sind Kunstdrucke 
auf Glanzpapier, und zu den dargestellten Naturobjekten hat der 
Operateur vorher: „Bitte recht freundlich" gesägt« 
(Bei Gelegenheit der Aufführung tW MmS 
ür Frankfurt.) Lr. 
später eine Schlange heraus, so nimmt der Wilde als selbstver- 
ständilch an, daß jener Mensck sich in eine Schlange verwandelt 
habe. Für ihn gilt die magische Kausalität; nicht unsere mecha 
nische oder historische. 
Die Frage ist nun: sind die okkulten Erscheinungen derart be 
schaffen, daß sie nur in einer magischen Welt echte Wirklichkeit be 
sitzen? Verhielte es sich so: sie könnten lediglich in einer von der 
heutigen BewutzLseinshalLung verschiedenen überhaupt erfahren 
werden. Wahrscheinlicher ist indessen die Annahme, daß jene 
Phänomene nach dem Verschwinden des magischen Weltbildes im 
Laufe der Jahrhunderte als Restbestände übrig geblieben sind. 
Man wird von einer Resttheorie der okkulten Erscheinungen 
zu sprechen Men. Da sie den magischen ähnlich sind, muß jeden 
falls eine solche sinngemäße Beziehung zwischen ihnen bestehen. 
Und es leuchtet ein, daß diese Reste nur mit einer Erweiterung 
unserer DenkmiLtel oder mit einem Zurückgreiftn auf frühere Denk- 
mittel völlig aufzuhLllen ssiy werden. 
Was die wissenschaftliche Erforschung der Eulten Tat 
sachen betrifft, so ist sie zunächst an die Möglichkeit genauer Be - 
obach Lunge n geknüpft. Hier Zeigt sich schon die erste Schwierig- 
. Ein-Film der FrewdenleMSM 
-- Diner englische Großfllm — er heißt: „MultchrüoorstM 
und läuft in den Nati o nal Ly eater n (Hohenzollerm und 
SkalaMMr) — ist eine außsrordezMche Leistung Eine spaunLnde 
Fabel liegtihm zugrunde. Drei junge Engländer, Brüder, lassen 
sich in der Fremdenleg^ weil der eine von ihnen einm. 
Diamanten gestohlen hat und die andern sich mit ihm solidarisch 
fühlen. Die edlen Motivs des Diebstahls werden erst ganz am 
Ende offenbar. Das Schicksal der Drei ist das Thema des Films. 
Der Regisseur Herbert Bronon hat die exotische Umwelt und 
die MMtärsZenen mit einem Realismus gestaltet, der aufpeitscht. 
Marseille taucht auf, eine Hafenkneipe ist der letzte europäische 
Aufenthalt.. In der afriLanischen Station werden die Truppen ge 
schliffen. Die Legionärtypen sind wundervoll ausgesuch allem 
ein Italiener, der mit allen Wassern gewaschen ist. Bei dem An 
blick des Instrukteurs wird manchem M der in 
irgend einer Stadt im Zuschauerraum sitzt, die Lust an.militärischen 
Abenteuern in Marokko vergehen. Der Film kann als Warnung 
dienen; er zeigt in drastischen Bildern, daß die Leute nicht mit 
Glacehandschuhen angefaßt werden. Ein vorgeschobenes Wüst e n- 
fort ist der Hauptschauplatz. Ringsum SaKra,, Hitze und Flug 
sand, in dem Fort selber der Leuteschinder mit seinen Soldaten: 
ein Kampf der Weißen untereinander, der Weißen gegen die 
ber, der Menschen gegen die Wüste. An Deserteuren erfüllt sich ihr 
Schicksal, der Tropenkoller erfaßt Vorgesetzte und Mannschaften. 
Diese Ereignisse sind ohne Uebertreibung geschildert es bedarf 
reiner Uebertreibung —-, die Grenzen stets genau rnne gehakten; 
das Krasse wirkt darum nur um so krasser. Bei der Darstellung des 
Ansturms der . Araber gegen das Fort erreicht der Film das 
Aeuberste an Wirkung. Herrlich der Schwärm der galoppierenden 
Gaule auf den berghohen Dünen und hinab in die Täler. Mag der 
Kommandant eine Bestie sein, er ist ein vorzüglicher Soldat,' Er 
stellt seine gefallenen Leute wieder in äden Schießscharten auf, 
Pringt von Mann zu Mass und schießt Ger die Köpfe d« 
Toten hinweg, die der Feind für Lebende Kämpfer hält. Des 
Führer-der endlich zum Entsatz kommenden Truppen packt das 
Grausen, wie er das Fort betritt; stumme Mannschaften, die sein 
Ruf nicht mehr weckt, kehren Hm den Rücken. Die Kamera hat 
dieses Leben ohne Erbarmen bewältigt- Kaum genug zu rühmen 
sind dft Den einen der Brüder spielt 
Ronald C o l m a n. Der Film ist ein Dokument. raca. 
Der KßILZM Jerg. 
Dieser von Dr. Arnold Fank in anderthalb Jahren ge 
schaffene Ulm ist eine gigantische Komposition aus KörperkulLur- 
Phantasien, Sonnentrottelei und kosmischem Geschwöge. Selbst 
der abgehärtete Routinier, den die alltäglichen Gefühlsfaseleien 
nicht wehr berühren, findet sich hier aus seinem Gleichgewicht ge 
bracht. Es gibt vielleicht in Deutschland hie und da kleine Jugend 
gruppen, die dem, was sie in Bausch und Bogen Mechanisierung 
heißen, durch eine verrannte Naturschwelgerei, durch eine pauiä 
artige Flucht in das Nebelgebräu der vagen Sentimentalität zu Le- 
gegnen trachten. Als Ausdruck ihrer Art, nicht zu existieren, ist der 
Film eine Spitzenleistung. 
Die Heldin könnte von Fidus -entworfen sein. Das Mädchen 
muß immer Lanzen, als Kind schon am Meer mit den Wogen, 
Okkultismus uud Spiritismus. 
Zu dea BortrS-e« von Pros. Max Deffoir. 
-- Professor Max Dessoir eröffnete am Samstag Abend 
einen Vortragszyklus über Okkultismus und Spiritis 
mus, zu dem ihn das Frei« Deutsch« Hochstift eingeladen 
hatte. Der bekannte Ordinarius der Berliner Universität, dem 
die Psychologie viel verdankt, konnte vor kurzem seinen sechzigsten 
Geburtstag feiern. Er blickt auf ein reiches Gelehrtenleben zurück; 
viele Tausende von Studenten durften unter , seiner Führung ihre 
Ausbildung genießen. 
Der Name Dessoirs und w-M auch das Thema hatten zahlreiche 
Hörer herbeigslockt. In seiner bedächtigen Weise ging der Gelehrte 
zunächst auf die methodologischen Vorfragen ein, hie 
gerade auf einem Gebiet, in dem alle Welt heimisch zu sein glaubt, 
von besorcherer Wichtigkeit sind.. Die okkulten Phänomene, so etvm 
führte er aus, sind in der magischen Welt der Primitiven 
--- fFrankfur^er Gastspiel Curt Götz.1 Gurt Götz, der 
Autor und Dausteller, eröffnet im Frankfurter Neuen Thea 
ter ein kurzes Gastspiel mit seiner Komödie: „Was sollen 
wir spLelen oder Hokuspokus". Sie bringt in emer 
Rahmenhandlung ein Lustspiel unter, das sich zu einem Tendenz 
stück erheben möchte, es aber bleiben läßt, weil es ein Lustfprel yv 
Die auf Situationskomik gestellte Rahmenhandlung verwickelt 
Typen aus dem Theaterleben in Gespräche von gemäßigter Aktu 
alität. Ein aufgeregter Theaterdirektor steht, immer wieder einmal, 
vor der Pleite; sein dämlicher Dramaturg verschafft ihm in letzter 
Minute das neue Stück eines berühmten Dichters, das aber nicht 
von dem Dichter stammt, sondern von dem Dramaturgen, was Ge 
legenheit zu einer Betrachtung über den Bluff mit bekannten 
Namen gibt; ein Kassierer ist nicht abergläubig genug und ein 
Kritiker ' unfehlbar. Der Kritiker ist nach dem Leben mo 
delliert, wenigstens publiziert auch er unter römischen Zif 
fern winzige Abschnitte in einem Tageblatt. Es fallen 
Bonmots, die auf Zustände anspielen, ohne Menschen zu 
verletzen und ihres Erfolges auf das zart gezauste Publi 
kum sicher sind. Aus dem luftigen Gerüst quillt das Lust 
spiel, eben jenes Stück des berühmten Dichters, van dem es nicht 
ist. Seine Fabel bietet dem Kenner von Detektivromanen keine 
Usberraschungen mehr. Bei einer Bootsfahrt mit seiner Frau ver 
schwindet ein armer Maler, dessen Bilder nicht gekauft worden 
sind. Nun gehen die Bilder zu hohen Preisen ab, doch die Frau 
kommt als des Mordes verdächtig auf die Anklagebank. Der Maler 
ist natürlich gar nicht ermordet worden, sondern greift quicklebendig, 
wenn auch' inkognito, fortwährend in die Handlung ein 
und enthüllt am Ende seine Identität mit sich selbst. Die Gerichts 
verhandlung des MeitM Akts ist der Ansatz zuw TendenZstüL 
Der Staatsanwalt konstruiert auf Grund der Indizien einen über-! 
legten Mord, der Verteidiger folgert aus den gleichen Indizien! 
die fleckenlose Unschuld. Diese Szene, in der bewiesen wird, daß 
Indiziert nichts beweisen, ist aus dem Bedürfnis zu überzeugen^ 
etwas zu lang geraten. Doch geht das Ganze hübsch zusammen und 
enthält Dialoge von einigem Charme, deren milde Schlagkraft den 
ThLLterroutinier verrät. Auch die Uebergänge von und Zu den 
Causerien des Vor- und Nachspiels sind adrett bewerkstelligt. 
Unter den Darstellern, die alle in Doppelrollen auftreten, glänzte 
Hermann Vallentin, der die Lachmuskeln des Publikums in 
ununterbrochene Bewegung setzte. Sein lispelnder Lheaterdpektar 
ist ein Meisterwerk-Hen der Komik, und das verächtliche Achsel 
zucken, mit dem er als Verteidiger, ganz eingehüllt in den Pomp 
der Suada, den Vertreter der Anklage traktiert, mögen die Anwälte 
studieren. Curt Götz, der Schauspieler, lieh dem sächselnden Dra 
maturgen die erwünschte Trottelhaftigkeit und hat sich den welt 
männischen Maler, der frech' und sympathisch ist, ersichtlich aus den 
Leib geschrieben. Aus dem Ensemble wäre noch zu erwähnen: 
Valerie von Mariens, die sich als Angeklagte mit entzückend 
gespielter Unschuld verhören ließ, der vornehme Gerichtspräsident 
Walther Steinb.ecks und Willy Buschhoffs zurückhaltender 
Staatsanwalt. Das Publikum klatschte auf offener Szene und 
verließ amüsiert das Theater. Ar.
	        
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