Mata-Hari.
- -2-Dieser Großfilm in den „Bi eS e rbau-Lichtspielen"
! behandelt das Schicksal einer indischen Tänzerin, die einen
österreichischen Erzherzog und einen russischen Großfürsten zu
ihren Geliebten Zählte. Durch eine JnLrige wird sie aus Wien
nach Rußland zurückgelockt; der Großfürst sehnt sich nach ihr. Sie
hat einen Palast in Petersburg, der zum Schauplatz von Orgien
hochgestellter Personen wird. Das Treiben elelt sie, und sie ent
flieht — flieht in die Arme eines unbescholtenen Bauernburschen,
- bei dem sie das Glück der Liebe zu erleben meint. Der Großfürst
rast wie alle Großfürsten vor Eifersucht, und läßt den Burschen
gefangen setzen, um die Tänzerin kirre zu machen. Man verspricht
ihr die Freiheit des Geliebten, wenn sie dem Erzherzog die
Festungspläne von Przemysl entlockt. Sie holt die falschen Pläne
- heim und läßt in Oesterreich eine russische Aufmarschskizze zurück,
die ihr in Petersburg in die Hände gefallen war. Ein russischer
Spitzel hat sie belauscht. Man stellt sie vor ein Kriegsgericht, und
foltert den Burschen, um ihr ein Geständnis zu entreißen, das
zum Todesurteil führt. Ein Akt der Eifersucht, denn st-e hätte sich
verteidigen können. Mit der Erschießung schließt der Film. Er
ist unter der Regie von Friedrich Feher begabt ausgemacht. Manche
Gesamtszenen sind von den Russen gelernt, spannend exponierte Auf
tritte finden sich genug. Am besten geraten sind die Festungsbe
suche, das Verhör bei dem Auditor und das Kriegsgericht. Am
Anfang sdM die Handlung etwas, überhaupt sind die Pro
portionen nicht immer richtig getroffen. Nimmt man die Fabel
als gegeben hin, die zwar erregend ist, aber nicht eben durchaus
filmgemäß oder von hohem künstlerischen Niveau, so sind immer
noch die Grausamkeiten zu sehr betont. Es wäre überflüssig ge-
weM die der Heldin Zugefügten Qualen so drastisch und ein
gehend zu verzeichnen, und den Prozeß der Erschießung bis ins
Letzte auszukosten. Magda Sonja tritt gegen den Schluß
yin immer stärker hervor; sie wird fraulich, ist leiderfahren und
gewinnt Größe. Nicht sie ist die eigentliche Hauptperson, sondern
^ritz Kortner, der den Vertrauten des Großfürsten spielt.
Um seinetwillen ist der Besuch des Films dringend zu empfehlen.
Wie die Maske ptzt, wie dieser Chef des Geheimdienstes sich durch
Blrcke verständigt, wie menschliche Verstocktheit, Härte, Ergebenheit
hr-er zuwmmenLreffen, wie ein durch die Despotie verpfuschtes
Wesen sich hier in allen seinen Schichten verkörpert, das ist schon
große Kunst kaea.
Die Mutter.
Dieser russische Film, den die Ufa-Lichtspiele zeigen,
ist nach einem Roman von Maxim Gorki gedreht. Sein
Regisseur heißt Pud 0 wkin. Die Handlung spielt im Zaristischen
Rußland Eine Proletarier-Familie: der Vater ein Säufer, der
Sohn ein junger Mensch, also Revolutionär. Ueber der Familie,
die nur eine von Tausenden ist, thront das Werk und der Staat,
Bei einem Streik wird der Vater erschossen, der es mit den Auf
sehern hält. Militär dringt in die Wohnung, in der seine Leiche
aufgebührt ist, und erpreßt der Mutter das Geständnis, daß der
Sohn unter einer Fußbodenplanke Waffen verbirgt. Er wird vor
Gericht geschleppt, das Urteil lautet auf Zuchthaus. Unter der
Bevölkerung Lricht Empörung aus, die dumpfe Empörung der
leidenden, noch unorganisierten Masse. In langem Zug, -wegt sie
sich zum Gefängnis bin, in dem bereits die Revolte bega nnen hat.
Aber der von den Vorgängen rechtzeitig unterrichtete Kormmmdant
schickt den Massen seine Soldaten entgegen, die auf die einfachste
Weise der Welt dgs Volk zerstreuen. Sie schichen, es kostet nur
Munition. Der Sohn, der aus dem Gefängnis geflohen war, Mt
in den Armen der Mutter. Sie selber ergreift die Fahne und bleibt
mitten unter den Leichen auf dem Platz zurück. Ein famos gezielter
Schuß trifft auch sie.
Aus klaren, eindeutigen Gefühlen ist dieser Film geschaffen.
Er hält es ohne Beschönigung mit den Unterdrückten, und sein
Haß gilt den Gewalthabern und ihrer Ordnung, die ungerecht ist.,
Das mag einseitig sein und tendenziös; aber eine Tendenz,
die sich gegen einen empörenden Zustand der Dinge richtet, ist keine
Tendenz, über die sich Kunstrichter erhaben dünken müßten, deren
Forderung auf Unparteilichkeit und Objektivität dem Mangel an
Entschiedenheit und Einsicht entspringt. Ja, es läßt sich mit gutem
Rechte behaupten, daß nur aus jener Tendenz, die auf die Her
stellung einer gültigen menschlichen Ordnung äbzielt, überhaupt
ein Kunstwerk entstehen könne. Es ist nicht ein formales Gebilde,
das mit beliebigen Inhalten gefüllt werden mag, sondern es ist
ein Kunstwerk nur dann, wenn es bestimmten Gehalten ein Dasein
gibt. - .
Aus der richtigen Tendenz (es gibt auch ohnmächtige, falsche)
schöpft auch dieser Film seine ästhetischen. Wirkungen. Seine Her
steller haben gewußt, was sie wollten, haben es bis in die feine
menschliche Regung hinein gewußt. Darum konnten sie sehen,
konnten das Wesentliche vorn Unwesentlichen scheiden und die Auf
nahmeapparate lenken. Kraft ihrer „Tendenz" haben sie den Sinn !
vieler toter Gegenstände erkannt, Details hervorgehoben, Asso-
ziationen vollzogen. Die Kunst kommt ihnen aus ihrer Erkentnis,
aus Liebe und Haß, die das Menschliche wirklich betreffen.
Freilich: sie hätten trotz ihrem Wissen nichts geleistet, wenn sie
nicht zugleich auch über die Kunstmittel geböten. Sie können etwas
und wenden ihr Können richtig an. Um nur ein paar Beispiele
zu nennen: Die immer wieder gezeigten Fabrikherren, die von dem
Fenster auf die Massen herabblicken, werden zum Zeichen der
schlechten Gewalt. Eine gewaltige Symbolkraft erlangt die Archi
tektur des Gerichtsgebäudes. Ueber die Freitreppe und die Säulen-
trommeln wird der Blick zum klassischen Giebel gezogen; man
weiß, daß es in diesen Mauern weder Recht noch Erbarmen gibt.
Das Gefängnis ist vollkommen durch die Silhouette eines Wacht
postens charakterisiert, die aufs Haar der des seitlich gelegenen
Schornsteins gleicht. Unerhört ist die Kunst der Raum beherr
sch ung, die schon im Potenkimfilm bezauberte. Auf der weiten
Fläche rücken die Soldaten an, verlieren sich Arbeitertrupps. Die
Anordnung im Raum drückt, je nachdem, brutale Macht und Hilf
losigkeit aus. Auch die dämonische Gewalt der nicht vermensch
lichten Technik ist dargestellt. Die Aufnahme einer Kettenbrücke
ersetzt eine gelehrte Abhandlung über die innerrussischrn Zustände
vor der Revolution.
Die schauspielerischen Leistungen stehen so durchaus im Dienste
der gemeinten Sache, daß man eine einzelne nicht herauscheben
mochte. Richter, Offiziere und Bürger sind gezeichnet in jedem
Sinne. Welche Volkstypen treten nicht auf! Man glaubt ihnen ihr !
Gesicht, sie haben ein Gesicht. Die Mutter spielt, daß man das,
Spielen vergißt; unvergeßlich vor allem, wie sie Versteint an der
Bahre ihres Mannes sitzt. Vielleicht, ja gewiß wäre jede Einzel
leistung von westlichen Darstellern zu erreichen. Aber unnachahm- .
lich ist das Massenaufgebot, die Versammlung solcher Massen.
Der Fflm hat Schwächen, die ihn in künstlerischer Hinsicht dem
Aur Vervollständigung des VerLsioknisZes noed
einige Hinweise. Ren Baseismus nutrt Baw-
renee R vesderr^ in einem Roman:
den reu er in Blor en 2" (Oedertra^unF
aus äem ^.merilranisoben von RermMia Lur Nüb«
len. ^.Zi8-Ver!aF, Mien unä Berlin) su äeielctivi-
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risoßes Talent, äas die ?enäenL plump, äardietet.
— Bin Roman: „Der lalLede Briet" von
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Lsrie „Xrimin dromano ell.'r Kationen" Noewig
u. MRner, vresden. leder Bä- ^ed. 2), in äem
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eder überlistet wird, 86" ris spannende Llsenbadn-
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^OvellensammlunZ: „Berver^oIdeteRand-
8 e d u d" iBano 104 äei oben Tenannren Lerie).
Idr Held ist ein sencn au- trüberen Oesebiodten
äes Autors rüdmlied bedaunter blinder Betebtiv»
^u^eFeben, daß äie Mnäkeit alle übrigen 8inne
dieses Bbänomens verfeinert; in der Naupisaeds
sntrisdt sie ab r äood seinem Intellekt eine der
wesentdedsn natürlieden Ltüt^en. Der Intellekt
ist dier au? sied selber anZewiesen, er ist ein
nadeln entsubstantialisierseZ Vermögen, das be
sonders daru ^eeiFnet ist, eine substanzlose Oe-
sellsedakt in einem endlosen Bro^eß Tu äureüärin»
Zen. Die emLslnen BrTädlunAen sind dübsed Korn-
dinierl
kür dio 6! 816Ü ausZab. vw 86kait6n jaZen 8iok
aueü in dem Roman- „V i 6 r a k k i n i 6 r t e s i s
Brau Berlin 8" von 0 a r a i - r v a irr
dem BiFursm ä'e niedt sind. was sie sekemen, auk
^rodo Xrt in oroblematisobe LonstsIIationen ge-
EunZsn werden.
Nsdr an die VoIksmstmlLte wenden Zied ^wei
andere Romane der Reibe. Der eins: „Das
oIk 5 ru 6 e st von Iu! i u 8 R e § i 8 §edt von
der Bbeorie aus, äaL in 6er Asit des Taylor-
8Mems aued die ^rokstädtiseben Verdreeber
sied eine strakke OrganuLütion ^eben müssen.
B? räueßsrt (in äei Naniei des sn^Iisoben Betob-
twseßriflstellsrs Bä§ar ^allaee) eine solede mo-
äsrns RLuderd^ aus. -- Der Roman:
.Die Backe des R o n A Odnn^ Ru" des
BnMnäerF 0 ttwe! I Linns realiLiert die Ne^
tkoäsn Lari Na^s au? odinesisebem und tidetani-
seßem Boden Bs wimmelt ununterdroeben von
VeriolFunaen, Adelt aten unä Lodurdenstreieken in
Ltääten, Ranägedakren und Llostern. Bnde
steßt das lünMb 6sriedt, das die Osmeinen de-
stralt unä die Outen miteinander verlobt.
„Potnnkin" gegenüber zurücktreten lassen. Die häufige Einflechtung
von Landschaften, die Stimmung provozieren sollen, ist ein ästhetisch
verbrauchtes Mittel. Auch ist die Gesamtkompssttion nicht ganz
gelungen; manche Szenen sind zu breit geraten, andere ein wenig
Wmachtrg. Indessen, man kann darüber hinwegsehen, um des
Menschlichen willen, das sich Überall unverfälscht gibt.
Es ist ein Fehler des SpielprogrMmns, daß man dem Ruflen-
ftlm ernen schlechten und rohen Film vorangestellt hat, der das
segensreiche Wirken unserer Landgendarmerie verherrlicht Wir
haben bessere Kulturfilme. Dieser, der voller Unkultur ist, fordert
zu Vergleichen mit dem Hauptfiftn heraus, die unangenehm sind.
Raea.