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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

vie Lroreuung oes städtischen Prole 
tariats aufs Land Zu sorgen. In diesem Zusammenhang teilte der 
Redner mit, daß die kanadischen Monisten eme Million Dollar für 
Bodenkäufs zugesagt hätten. 
Das Hauptproblem fei die Arb ei ts lo s e n fra ge. Ein 
Teil der beschäftigungslosen Kräfte werde durch die projektierten 
Arbeiten absorbiert, aber ein lleberschuß an Arbeitslosen bleibe 
bestehen. Ihn zu beseitigen, sei voraussichtlich das Werk von zwei 
fahren. Mt einem deutlichen Wink an die amerikanische Dele 
gation erklärte Dr. Weizmann, daß der Kongreß aus keinen Fall 
auseinandergehen dürfe, bevor nicht das Arbeitslosenproblem 
gelöst sei. Zum Schlüsse wies er energisch die Angriffe gegen die 
zionistische Beamtenschaft zurück. 
Als zweiter Redner zum Bericht der Exekutive sprach Herr 
Sokolow. Er belegte die These, daß der Zionismus in den 
verflossenen zwei Jahren einen Siegeslauf zurückgelegt habe. 
Beweis: die große amerikanische Delegation Lei diesen Kongreg. 
Auch den anderen Ländern gegenüber sparte er «ich. an Aner 
kennung. Die Tatsache, daß stch aus manchen nrAMschen 
Freunden von früher stch jüdisch- Monisten mtwrckelt hattem sei 
ein Zeichen der beginnenden Aussöhnung zwrseyen der chrrstltchew 
und jüdischen Welt. Desgleichen feierte Sokolow das Polastma- 
werk Die Rede war als rhetorische Leistung wirksam, 
Der ZwttPerrkongreß. 
Die GeoMrmg. 
Dir Basel, 30. Aug. Der 15. Zionistische Kongreß, der 
im Zeichen der schweren wirtschaftlichen Depression in 
Palästina steht, wurde heute abend durch Dr. Ch. Weiz- 
mann, den Präsidenten der zionistischen Organisation, in 
der Stadt des ersten Zionistischen Kongresses feierlich eröffnet. 
Dr. WeLzmann erinnerte an die bisherigen Hauptleitungen 
der jetzt dreißig Jahre währenden zionistischen Bewegung: die 
Schaffung der Heimstätte in Palästina und die „Normalisierung" 
der Welthaltung gegenüber dem jüdischen Problem. Die Welt habe 
zu verstehen begonnen, daß für dieses Problem eine natürliche 
Losung gefunden werden könne. Die wichtigsten Etappen dieser 
veränderten Einstellung: die Balfour-Deklaration und die Gesetzes- 
werdung des Palästinamandats. Zwar labe das Mandat noch nicht 
alles gegeben, was man zu erwarten berechtigt sei, aber es habe 
einen Austand geschaffen, bei dem, politisch und sozial, die zio 
nistische Position wachsen müsse. Was die Gegenwart 
betreffe, so habe sich die Aufrichtigkeit des jüdischen Volkes gegen 
über den Arabern bereits durch Taten bewährt, und erst jüngst 
bei der gewaltigen Naturkatastrophe seien die beiden Völker sich 
näher gekommen. Der Redner gab sodann die Versicherung, daß 
die Organisation alles daran setzen werde, um die Produktivität 
des Landes zu heben. Das Los der Arbeitslosen zu bessern und 
das Aufbauwerk zu festigen, sei die Aufgabe dieses Jubiläums 
kongresses. 
* Während Dr. Weizwann stch der deutschen Sprache bediente, 
sprach Herr Sokolow, der Präsident der zionistischen Exekutive, 
hebräisch. Er behandelte in längerer temperamentvoller Rede 
die drei Episoden zionistischer Geschichte und ermähnte zuletzt zur 
Einigkeit der Parteien und zu besonderen Anstrengungen, um dsr 
wirtschaftlichen Krise Herr zu werden; wobei er der Hoffnung auf 
die Einführung eines rationellen Agrarkredits Ausdruck gab. 
Präsident Dr. Weizmann begrüßte sodann die Vertreter 
der verschiedenen Nationen, unter denen sich auch Abgesandte 
mittelaWerikanischer Staaten befanden. Lady Samuel, die Frau 
des Hohen Kommissars und die Nichte Lord Balfours sind zu 
gegen. Es folgten Ansprachen des Regierungspräsidenten Wenk 
für den Kanton Basel, des Vertreters des verhinderten britischen 
Gesandten in Bern, der die Wünsche der englischen Regierung 
überörachte, des Vertreters des Zentralkomitees des Schweizer 
Israelitischen Gemeindebundes usw. Das Präsidium des Kon 
gresses konstituierte sich wie folgt: Präsident Sokolow und an 
die Zehn Vizepräsidenten, unter ihnen Leo Motzkin. Der Er- 
öfsnungsabend schloß mit Gedenkreden SokolowZ und Martin 
Bubers auf Achad Haam, den zu Beginn dieses Jahres verstorbenen 
Philosophen des jüdischen Nationalismus. 
Der IronistMkongretz 
(Drahtmeldung unseres Sonderberichterstatters.) 
Basel, 31. Aug. Zu Beginn der heutigen Vormittags 
sitzung erstattete Rechtsanwalt Gronemann für das Kon 
greßgericht den Bericht über die K ongreß Wahlen, wo 
bei er u. a? feststellte, daß die Wahlbeteiligung sich gehoben 
habe. Entgegen verschiedentlich aufgetauchten Behauptungen 
habe Amerika keine Sonderwünsche gehegt. Die Erklärungen 
des Redners trugen zur Hauptsache internen Charakter. 
Präsident Dr. Weizmann machte sodann progmmmatische 
Bemerkungen zu dem gedruckt vorliegenden Bericht der Exe 
kutive. Was die politische Situation betreffe, so sei eine stetig 
vorwärts schreitende Entwicklung zu erwarten. Von der Exekutive 
sei in den letzten Jahren vor allem Gewicht auf Beziehungen zu 
den Organen gelegt worden, die mit und um den Völkerbund sich 
gebildet haben. Die palästinensische Regierung habe 
sich in mancher Hinsicht aktiviert. Verhandlungen mit ihr seien Zu 
führen: über die SLaatsländereien. derentwegen man sich freilich 
keinen übertriebenen Hoffnungen hingeben dürfe; über Steuerfra 
gen (gegen Ungerechtigkeiten in der Abschätzung müsse Abhilfe ge 
schaffen werden); über die Arbeitergesetzgebung im Interesse einer 
größeren Beteiligung jüdischer Kräfte an öffentlichen Arbeiten; 
über das Sanitätswegen. Auch wies Dr. Weizmann auf die Not 
wendigkeit einer Regelung des palästinensischen Steuerwesens 
in Lezug auf industrielle Entwicklung hin. Es bestehe Aussicht, für 
zukunftsreiche Industrien Schutzzölle Zu erhalten. Zur 
finanziellen Lage 
übergehend äußerte der Redner, daß in den letzten Jahren die 
faktischen Einnahmen stets überschätzt worden seien. Das Defizit 
sprang im Jahre 1927 auf 151000 Pfund, Es müsse für das 
kommende Jahr von dem Kongreß ermöglicht werden, dieses Defi 
zit bis auf 55 Prozent zu tilgen. Die kommenden Jahreseinnahmen 
werden auf 450 000 Pfund geschätzt; von ihnen sind aber ver 
schiedene von der Exekutive eingegangene Verpflichtungen (An 
lagen usw.) sowie 70 000 Pfund zur Tilgung des Defizits ab- 
zuschreiben. Es bleibt die verhältnismäßig kleine Summe von 
225 000 Pfund. Hiervon wären 70 000 Pfund zur Behebung der 
Arbeitslosennot vorzusehen. Strikteste Oekonomie ist also 
erforderlich. Es schweben Verhandlungen über eine langfristige 
Anleihe, für die Voraussetzung ist, daß die Arbeit in Palästina 
auf solider Grundlage ruht. Dr. Weizmann erklärte ferner, daß 
die Landwirtschaft von der Krise verhältnismäßig wenig 
betroffen sei. Der verbleibende Rest des Budgets müsse vorwiegend 
zur Konsolidierung der bestehenden landwirtschaftlichen Betriebe 
verwandt werden. Die Exekutive habe es inzwischen als ihre 
—
	        
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