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Dieser Film ^Berlin" ist eine schlimme Enttäuschung. Gewiß,
er setzt sich aus Photographien Zusammen, die zum Teil aus-
g^eichnet sind, weil sie quere Perspektiven nehmen und merk
würdige Details auf die Matte bringen: Häuser von unten. Rinn
steine, aus dem Backofen wackelnde Brote. Gewiß, er enthält ge
schickte Ueberblendungen und leitet mitunter (nicht immer) nach
streng optischen Gesichtsvunkten einen Gegenstand in den anderen
über. Technisch einwandfrei und nicht ohne Bild Phantasie: aber
ist das Berlin?
Darum wirkt auch kein Detail Ln dieser „Sinfonie" als Symbol.
Während etwa in den großen russischen Filmen Säulen, Häuser,
Plätze in ihrer menschlichen Bedeutung unerhört scharf klar
gestellt werden, reihen sich hier Fehen aneinander, von denen keiner
errät, warum sie eigentlich vorhanden sind. Ist das Berlin? Nein,
das ist ein schauderhafter Abdruck, von einer gewissen Geistiakeit
produziert, die mehr als peinlich ist. Wir schasfens? Wir haben es
so schon einmal nicht geschafft. S. Kracauer.
Die ^eitgesoblbbtlicben Rintergrünäe weräen
m al er ^uslübrliobkeit äargestellt unä okt mit
bö-sem Larkasmus glossiert. Von äen Rbantasie-
yrojeicten aug äen ^.ntängen äer ertolgreieben
Revolut on e-tzbt es über äis Rasten äes Abbaus
äie beutigen Verkestigungen bin ein. Reinä ist
egen äie Rolsebewisten unä mit ibnen
äer ^.utor vor allem äen ^.uswüobsen äes kol
lektiv istiseben Rebens. „Rinen bekannten
^ussprueb variierenä", so sebreibt er, „erkübnen
wir uns 2U sagen, äaü gute Rom-munisten keine
Riograpbis baben. ^.rtjom aber war ^weikellos
ein erstklassiger Lommunist. Leins beküble unä
Ranälungen waren niebt äureb Rartei'nstruktio-
nen, sondern sie waren äureb äen Lollektivwil-
len äiktiert... Rs genügt kür uns, äie 'üatsaebe
selbst unä äas Verbältnis von ^ebn Kommu
nisten 2u ibr ru kennen, um unkeblbar ru er-
Niebail I^.vkow, Rbrenbur^s Relä, ist ein Tinä
äes Krisis unä äer Revolution. Rine Ri^ur, äie
an bestatten Dostojewskis erinnert, so Aewalt-
täti^ br'ebt sie aus, so be^ieri^ wenäet sie sieb
in äas Lelbst rurüek. Rb^sio^nomiseb wirä sie
äureb äie Ränäs ebarakterisiert, von äenen es
beikt, äak sie rübrenä unä ^u^leieb verwegen,
bilklos unä iru^leieb ^ritki^ seien. R^kows Lebiek-
sale sinä un^ertrennlieb mit äenen äes revolu
tionären RuNanä verknüptt, sie wanäeln sieb,
wenn äie allgemeinen ^ustänäe sieb anäern.
^.Is einer von vielen wäebst er in ä'e ^eit bin-
ein Lebon als L^nabe le^t äieser Lprökling eines
Rellners erstaunliebs Rroben seiner Orausamkeit
unä seines Rebensbun^ers ab. Rr ist in äer 1"at
em gräklieber läenseb; aber äa er aueb ein be
triebener ist unä ein win2ig68 Rünkeben in ibm
lebt, äas niemals erlisebt, beäeutet er mebr als
sein Rrucler ^.rtiom, äer sieb mit äem Dasein
emes Rarteimitglie-äs begnügt. Die Rio^raplne
äes bleläen. äie alles anäere eber als eintönig
ist, wirä obn
wirä N ep m an n, wenn es an äer Zeit ist, unä
maebt sebwinääbakte besebätte im In- unä
sein
Die Lpraebe Dbrenburgs. aus äer Debertra-
gung sebwer ru beurteilen, ist von jener Ironie,
die aueb seine trüberen Romane bestimmt. Diese
Ironre Liebt ibren besonderen Rei?; daraus, daä
sie mit Lukerster belenkigkeit Labllose Rbäno-
mene äer Oberkläebe kür ibre 2weeke verwenäet.
8'e glitzert und büpkt. Ibr ^ssoLiationsbereieb
ist äas Uaebkriegseuropa in sämtlieben
Lebiebten seines ^erkalls, äessen bunte^ Nüster
kaum ein anderer Vutor so überbliekt wie gerade
Rbrenburg. Nit leiebter Rand reiebnet er die
Nüster naeb, sammelt alle jene kragwüräigen be-
stalten ein, d'e sieb äureb äie Düeken äes in
viele d'eile gesprengten Ruropas ärängen. ^Vie
ein grimmiger Naturkorseber sebweikt er unter
äen Krümmern umber unä liest äie Nerkwüräig-
keiten auk. D^r ^vnismus, mit äem er sie etiket
tiert, verrät äie Iderkunkt äer Ironie aus äer ver
letzten Airtliebkeit seines bemüts. In äem neuen
Roman leben 8'eb Ltnkk unä Ironie wob! albu
breit aus. äoeb in keinem seiner bisberigen
Rüeber spraeb aueb äer ^utor so ganL mit sieb
selbst über seine eigensten Rrkabrungen, äie ibn
besebwerem
„Rr begrikk, äaä er Rulzlanä liebte, unä in
diesem bekübl vrar von allem genug entbalten:
Dankbarkeit, ^nbängbebkeit, Rüekstänäe von
dugenäträumen und Lelbstbewunäerung... Ob-
wobl er Ideen veraobtete wie im russiseben
Lpriebwort der Lpa'r äie Lpreu, verebrte er jet^t
sein bleimatlanä wegen seines puritaniseben
Idealismus. Lelbst auk die bekabr bin. dak die
Deser ungläubig laebeln werden, entsebl'eüen wir
uns 2U äsr Rebauptung: er verebrte Ruülanä
äesbalb, weil man ibn dort erwiseben unä „an
<^ie V^anä" stellen würde, da, ja, aueb desbalb!"
8o beikt es von Niebail Lur 2eit seines ^ukent-
balts in Rerlin. ^.ueb Rbrenburg lebt seä langem
im Ausland blur aus äem brunä, äem äiese
Lätrs entstammen, ist sein Roman LU verstebem
nen Ralle von ^rtjom Dykow, aukgsnommen
wuräe. 'Wenn ein soleber ^rtjom seinen ^bee
trinkt, so kann äas niemanden interessieren.
^Venn aber Millionen von ^rtjoms äen Oktober
maeben, so spriebt äavon äie ersebütterte ^Velt
unä vergibt äabei alles Originelle, alle äie see-
lisob so bedeutsamen 'beetrinkereien der blelden
Dostojewskis und anderer.^ Rbrenburg mag ein
seitig seben, aber er siebt von innen unä ist
erbittert.
11ja Dürenbur^s soebOn in äSuisekor
Lpraoks ersokisrienor Roman: ,,NioüaiI R .v -
k o (Nalik-Verlag, Rorl'n. 557 Leiten. 6eb.
cL 7) ist in Ruklanä verboten. Das Ruoü dekan-
äelt äw Rntv^ieklun» äer innerruZ-Zisebsn Ver-
üältnisso seit äein Beginn äer Revolution, unä
man kann es im morst in verstssten, äaü äem okki-
^iOÜsn Sensor viele semor ^.ussa^en als steäenk-
lieb ersobienen 8inä. Inäe88en, diese ^usoinan-
äersetLUn^ Leisesten ^utor unä Liaat kommt
äen 'westenropäisosten Rrit'bern Rukianä8 niebt
obne v^eitereg Lu^ute. Denn 80 un^veiäeuti^
Mrendur^ in äer Oppo8ition 8-tebt, er i8t
Ru886 äureba,u8. Rin ^narebi8t vielleiebt, äer
bMen lbäe OeZamtbe't aukbe^ebrt, äie äa8 Reebt
äes Inäiviäuums bestreitet; cioeb äer ^narebis-
fixer Ghronikeur gewahr werden könnte. Das Berlin, das außer
dem Potsdamer Platz auch noch den Alexanderplatz und den
Molkenmarkt umfaßt, das auf die VorstMe übergreist, groß,.
Haine birgt, sich Zum Wannsee hü auszieht. Das Berlin der
Arbeiter, der Angestellten, der Geschäftsinhaber, der höheren
Bourgeoisia, das je nach der Derufsart und Menschenkaregorie
einen bestimmten Radius besitzt, bestimmte Ausschnitte ausweist
Das nach Tageszeiten geordnete Berlin, überhaupt das Berlin
das, von innen gesehen, doch über eine gewisse Struktur versi^i
-die ihm Festigkeit verleiht. Noch nicht einmal Berlin, wie es sich
einem bescheidenen, anständigen Beobachter -darstellt, ist ergriffen.
Warum nicht? weil die Herren nicht den kleinen «Ehrgeiz hatten,
eine Großstadt zu Zeigen, wie sie wirklich ist, sondern den an
gemessenen Ehrgeiz, gleich eine ,.Sinfonie der Großstadt" Zu kom
ponieren. Sie sind schlechte Komponisten gewesen. Ehe sie etwas
sahen, hatten sie schon Ideen; abgeleierte Literatenideen. Berlin:
das ist ihnen die Stadt, in der das Tempo an sich und die Arbeit
ihre Orgien feiern. Das Ludendorff-Wort: „Wir schasfens" ist
ihre Devise gewesen. Hei, wie geschafft wird, wie die Bildstreifen
durcheinander rasen, damit nur jedex Provinzler — und viele Ber-
zelt Lu riebtigen laten. Tutetet wirä er seiner
Betrügereien wegen ins bekängnis geworken. Die
^oäessebnsuebt, äie immer mäebtiger äuT-eb-
äringt. binäert ibn niebt, Verrat an äen Uit-
gen ^u üben. Rei einem unmöglieben
versueb sturst er berab.