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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.08/Klebemappe 1929 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Küf dem Tanzpodium möchten sie sich gegenseitig eine Kurbel ent 
reißen, die zu einem der versteckten Aufnahmeapparate gehört. Sie 
Dringt den Gegner an, krallt sich an ihm fest und beißt ihn; er 
wirbelt sie mehrfach herum und schleudert sie durchaus unsentimen- 
Lal zu Boden. Mitten im Gefecht besinnen sie sich manchmal auf 
ihre Rolle und machen einige Tanzschritte zusammen. Kein Wunder, 
daß der Maharadscha den Ernst des Lebens für heitere Apachen 
kunst halt und das Zeichen zum Beifall gibt. Daß er am Ende doch 
gefiknt wird, versteht sich von selbst. Eine regiemäßig glänzende 
Szene. 
Sonst ereignet sich noch: ein Schisssungtüä; eine Entführung 
auf einer Jacht; eine Verfolgung im Flugzeug, das die Jacht ein- 
neöelt. Autos, Motorräder und Radio bilden den notwendigen 
Hintergrund. Alles im Hundert-Kilometer-Tempo und so keß aus- 
genommen,'als hatten die zwei besten Kameramänner der Welt ihre 
Abenteur selber gekurbelt. Die Titel sind gut, die Einfälle lustig, 
wenn auch mitunter roh. Man sollte sich den Film ansehen. 
(„Das Mädel mit der Kamera" läuft im Frankfurter 
Ufa-Theater.) S. Kracauer. 
Der Sittenpaß. Dieser Ruffenfilm im Gloria- Palast ist 
nicht zu verwechseln mit dem früher in Frankfurt gezeigten Film 
„Der gelbe Paß". Er ist eigentlich auch gar kein Russenfilm, 
sondern anscheinend ein Warschauer Produkt. Seine Fabel führt 
in die Zarenzeit zurück und schildert die Korruption der Polizei 
in einem russischen Provinzstädtchen nahe der polnischen Grenze. 
In der Mitte steht die Figur des Polizeimeisters Tagejeff, eines 
schwergebauten Mannes, dessen Tyrannei, Lüsternheit und feile 
Gesinnung vorzüglich dargestellt sind. Als seine Geliebte und zu 
gleich als Spionin wirkt ein schwarzes, etwas outriert spielendes 
Mädchen, das als Zofe in einer großbürgerlichen Familie dient, 
die durch seine Schuld vom Verderben bedroht wird. Ausgeliefert 
wird sie ihm zum Glück nicht, da die Zofe aus Liebe zum Sohn 
des Hauses sich zuletzt doch eines Besseren besinnt und ihre ge 
fährdete Herrschaft rettet. Nebentypen: eine Bordellbesitzerin mit 
einem Vogelgesicht und ein Polizeileutnant, in dem sich Servilität 
j und Gemeinheit wundervoll mischen. Die Aufnahmen sind nach 
> russischen Vorbildern gemacht, doch ohne sie zu erreichen. Immer 
hin bringen es noch dre epigorralen Anstrengungen zu einiger! 
wirklich sehenswerten Szenen, um derentwillen man dem Film 
manche Schwächen verzeiht. Der Vorgang der Bestechung im 
Polizeibüro gelangt durch das Spiel der Hände von Geber und 
Empfänger zu drastischer Sichtbarkeit; die Kabarettmädchen im 
Privatgemach Tagejeffs erscheinen als gute befangene Sendboten; 
die Zimmer des Provinzbordells find eindrucksvoll arrangiert. 
— - ' 
«»- Vater und Hohn. Im No §y - Pa la st ist dieser neue. 
Har r y Liedtke - Film angelaufen, der eine ganz sympathische 
Variante des alten Liedtke-EheM bringt. Bleibt unser Lebens 
künstler Zwar auch jetzt Liebhaber und Bonvivant, so ist er doch 
mindestens ebenso sehr Vater. Der Vater eines netten jungen 
Mannes (Rolf van Goth), der ihn seiner Witwerhäuslichkcit 
entführt und mit ihm zusammen bummeln geht. Die Eintracht 
der beiden wird ein wenig dadurch gestört, daß der Papa das 
gleiche Mädchen lieb gewinnt wie der Junge, der in Liesen 
Kummer zu versinken droht, weil das Mädchen die Liebe erwidert. 
Um des Sohnes willen verzichtet zuletzt der Vater auf die Ver 
wirklichung seiner Wünsche, und eine wehmütige Resignation steht 
am Ende. Ein leichtes Konversationsstück vor Pariser Hinter 
gründen, in dem Liedtke Gelegenheit hat, sich von seiner an 
genehmsten Seite zu zeigen. Das Zusammenspiel der beiden 
Männer, des älteren und des jüngeren, führt zu einigen 
gelungenen Szenen; so zu jener, in der die zwei Herren in Frack 
und Zylinder Arm in Arm durch die Straße rauschen. Als Neben 
figuren find unter anderem Jda Wüst und der dicke Huszar- 
Puffy verwandt. Die Regie ist nicht originell, aber routiniert.
	        
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