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wie die leer-
der nmß un-
ReichsHauPL-
Die Gruden-
stehenden großen Wohnungen oder das Roggenbrot,
willkürlich auf den Glauben geraten, daß die ganze
stadt unter dem Zeichen dieser Veranstaltungen stehe.
renkrawalle, die Umzüge der Erwerbslosen und vor
erwarten muß, es könne doch gleich etwas losgehen. Ich fuhr an
einem der letzten Abende zum Nollendorfplatz, um mich unter die
Demonstranten zu mischen. Sie waren wer weiß wo geblieben, aber
dafür bot der Platz den Anblick einer gerade eroberten feindlichen
Stadt. Schupoleute patrouillierten an sämtlichen Straßenecken,
quollen aus dem Untergrundbahnhof, gingen über die leeren Platz
flächen und behüteten den Mozartsaal, in dem gerade der Film
Zu Ende ging, der den Deutschen die Achtung vieler Nationen
eingetragen hat, nur nicht der Deutschen selber. Da mich niemand
Zum Stehenbleiben ermunterte, kehrte ich wieder um, und auf dem
Heimweg geschah es; ich roch die dicke Lust. An der Ecke Kurfürsten-
damm—Ählandstraße, einer Stelle also, die sonst zu den sanfteren
Himmelsstrichen gehört. Hier war ein Trupp von Polizisten
postiert, und überdies verteilten sich geringe Scharen junger Bur
schen über die TrottoirA Sie beschäftigten sich damit, zu warten.
Einige von ihnen trugen dicke Stöcke, die nicht viel Gutes ver
sprachen. Das Beklemmende war, daß sich eigentlich gar nichts
ereignete. Die Taxis und Omnibusse rasten durch, sobald die Signal
ampeln sich grün färbten, die Pfeile und Schriftbilder der Licht
reklamen erstrahlten wie immer bunt in der Nacht. Und doch
breitete sich Panikstimmung über dem Pflaster aus. Sie wurde
gemildert, ohne darum behoben zu sein, als aus dem Dunkel der
Uhlandstraße ein Auto austauchte, dessen Bemannung sich sofort
mit den jungen Burschen durch Geschrei verständigte. Es war das
Auto der Führer. Ihm folgte ein unabsehbarer nationalsozialisti
scher Demonstrationszug, der sich in straffer Ordnung vorwärts
bewegte. Ich habe die betreffenden militärischen Ausdrücke ver
gessen, aber jedenfalls marschierten die Mannschaften in Reih und
Glied wie regelrechte Soldaten, und ihre Zivillleider, die sich von
denen des übrigen Straßenpublikums in nichts unterschieden, schienen
lauter Uniformen zu sein. Von Zeit zu Zeit unterbrach Schupo die
Formationen, die ohne Musik einem unbekannten Ziel zuschritten.
Dies gerade: daß sie so schweigend durch die Straße zogen, be
drückte am meisten. Keine Erkenntnis leuchtete über ihnen, die
hell und vernünftig gewesen wäre, und keine Parole ging von
ihnen aus, es sei denn die sture gegen den Remarque-Film..
Wie anders waren damals am ersten Mai die Züge der Demon
stranten gewesen, Sie marschierten nicht in schrecklicher StummheLt
dahin, sondern gingen wie kameradschaftlich verbundene Menschen
Und sie führten Inschriften mit sich, die mindestens zu diskutieren
waren, statt in der Disziplin einen ihrer obersten Zwecke zu
erblicken.
Wie ich anderen Tags in der Zeitung las, machte späterhin
das von mir beobachtete nationalsozialistische Aufgebot am Knie
noch Krawall. Zur gleichen Stunde, als der Geist der Sympathie
GerHauPL noch einen Berliner Bürger, der friedlich ins Büro
Zehen kann und etwas anderes im Kopf hat als Aufläufe, Schupo
und ProtestsI Es gibt solche Bürger, denn das Nebeneinander in
Berlin ist nicht minder unbegrenzt wie die Stadt selber. Vorgestern
Nacht empfing zum Beispiel Max Reinhardt im Foyer derKam-
merspiele die Darsteller der Pariser Comedie, die zur Zeit in
Berlin gastieren, und während der „Geist der Sympathie , , .
park und willig über dieser Tafel vieler großer Leuchten » » /
schwebte, wie ein Berliner Blatt zu melden weiß, suchten gerade
wieder einmal nationalsozialistische Demonstranten durch Stein
würfe, faule Eier und andere Argumente die Oeffentlichkeit davon
zu überzeugen, daß der Remarque-Film, den sie nicht kennen, nun
endlich abgesetzt werden müsse. Ach, Herr Dr. GZbbels will sich
vom Geist der Sympathie nicht lenken lassen, und die insgeheim
tagende Oberfilmprüfstelle wird vermutlich seinen Drohungen
nachgeben, obwohl sie den Remarque-Film doch kennen gelernt hat.
Das Nebeneinander, wie gesagt, ist sinnverwirrend, und in der
gleichen Stadt, die vom Aufmarsch der demonstrierenden Kolonnen
widerhallt, finden sich noch viele ruhige Ecken. Eine davon ist
etwa die Sophienstraße im Zentrum, eine verschlafene Gegend mit
einer Kirche darin, das Ganze erinnert von fern an Paris, Dort
sind jetzt für zwei Wochen eins Menge von Abbildungen und Zahl
reiche statistische Tabellen ausgestellt, die einen Begriff von der
Durchführung des Fünfjahresplanes verschaffen sollen. Aber nur
ein Paar Arbeiter, Erwerbslose vielleicht, füllen den altertümlichen
Saal, den sie nicht Zu Wen vermögen. Rußland ist weit von
hier.? sx
Trotz dieser chaotischen Verhältnisse ist doch im Berlimr Straßen-
lchen eins leichte Veränderung zu spüren. Die Straßen sind nicht
mehr wie noch vor wenigen Monaten stumme unbeteiligte Zeugen poli
tischer Manifestationen, fordern strömen selber ein starkes Unbehagen
aus. Es ist, als seien sie von den Tumulten angesteckt worden, die
sich aus ihnen entwickeln. Sie werden bei Tag und bei Nacht von
Lastwagen mit Schupomannschaften durchfahren, und so drohend
ist ihre Gebärde, daß schon ein kleiner Haufen friedlicher Passan
ten, der nur eben den Fahrdamm überqueren will, den Eindruck
einer Massmansammlung erweckt. Die Menschen sehen auch, was
kein Wunder ist, gar nicht weihnachtlich drein; mögen immerhin
Mr Erhöhung der Festesfreude und des Absatzes vor einigen Ge-^
Wer außerhalb Berlins von den Straßendemonstrationen liest,
die jetzt hier so zur Mtagserscheinung geworden sind
allem die so
lärmenden wie schlagkräftigen Kundgebungen der Nationalsozia
listen gegen den Remarque-Film, den sie nicht kennen — gibt es
über der Tafel Max Reinhardts schwebte. Ta, e'ert werden
! die Gäste von der Oomsäis daheim ihren Parisern berichten
können.
Msten und Kaffeehäusern illuminierte Riesentannenbäume prangen,
die für viele Erwerbslosenfamilien reichten. Kaum könnte der!
Ernst unserer innerpolitischen Situation sinnfälliger bewiesen
werden als durch diese Erregung, die sich heute den Straßen-
räumen mitgeteilt hat. Freilich, man gewöhnt sich daran, und wir
haben seit Kriegsbegirm bereits schlimmere Erfahrungen hinter
uns gebracht. In einem ftanMchen Revolntionsroman: „Die
-Götter dürsten" erzählt Anatole France, daß während der
! Schreckensjahre manches Idyll ungetrübt sortbestand. So ist es:
das Leben geht weiter, und es muß doch einmal Frühling werden.
Wenn auch der Frühling, der den Deutschen vielleicht blüht,
bestimmt anders ausschauen wird, als die Anhänger des Dritten
Reiches wähnen.
Das genau- Kennzeichen der allgegenwärtigen dicken Lust ist
^Lie Tatsache, daß man auch dort, wo nichts los ist, jederzeit
Alle Hage Demonstration;
Berlin im Dezeinber.