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Metadata: H:Kracauer, Siegfried/01.10/Klebemappe 1931 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

wäre hier auch das Sprichwort: „Steter Tropfen höhlt den 
Stein" nicht schlecht am Platze gewesen. 
Einige besonders glühende Verehrer und Verehrerinnen geben 
sich nicht einmal mit dem Besitz der teuren Namen zufrieden. 
Sie möchten selber bei den Seligen wohnen, sich im Licht der 
Jupiterlampen sonnen und jene Höhen erstürmen, in denen das 
Sternbild Fritsch-Harvey kreist. Aber die Redaktion der „Film 
welt" stellt sich wie der Engel mit dem feurigen Schwert vor 
die Pforten der Filmatelierparadiese. „Wenn Sie zum 
Tonfilm wollen", äußert sie wieder und wieder, „müssen Sie sich 
zunächst einmal in Sprechtechnik ausbilden lassen." Oder sie stößt 
aus'Pflichtbewußtsein die verschiedenen Filmfreunde und -ratten 
einfach vor den Kopf: „Um vor Enttäuschungen Zu bewahren, 
raten wir von einer Filmlaufbahn ab." Recht so. Ich bezweifle 
nur, daß der Rat immer nachhaltig wirkt, denn die Gewarnten 
können sich ja auch auf das oben angeführte Sprichwort berufen, 
daß zuletzt doch gut wird, was lange genug währt. . . 
Aus diesem Frage- und Antwortspiel, das regelmäßig mehrere 
enggedruckte Seiten des Filmmagazins füllt, geht unzweideutig her 
vor, von welchen Träumen viele junge Menschen heimgesucht wer 
den. Der Filmkitsch hat sie in ihnen erregt. Er lügt eine 
wunderbare Oberwelt zusammen, die von lauter Prinzen und 
Prinzessinnen bevölkert wird, und die Unwissenden verwechseln 
fortan Sein und Schein und starren wie betäubt auf die höheren 
Feerien. So werden sie unbrauchbar gemacht und von einem Kampf 
ab gelenkt, der ihnen vielleicht wirklich zu besseren Daseins 
bedingungen verhelfen könnte. Die auch dem Film gestellte Aufgabe 
wäre aber gerade: sie nicht im Banne des Schlafs zu halten, son 
dern Betörte zu wecken. Indessen, wir scheinen einstweilen noch 
weit von der Zeit entfernt zu sein, in der allen Filmratten der 
Filmstar gestochen wird. 
Ehemännern und Gustav Fröhlich noch nicht einmal zu den Ver 
lobten gehört; Marlene Dietrich und Hans Albers ein Auto be 
sitzen. Manche Fragen entspringen der begreiflichen Sorge um das 
Ergehen der Stars. „Sie können sich beruhigen", so wird einem 
offenbar aufgeregten Kaffeekränzchen in Neukölln mitgeteilt, „Dina 
Gralla hat sich nicht erschossen". Dina Gralla ist tatsächlich seit län 
gerer Zeit nicht mehr Zu sehen gewesen, und wessen Künstlerinnen 
in ihrer Leidenschaft fähig sind, kann niemand genau wissen. So 
gut die „Filmwelt" aber auch informiert ist, das Publikum fragt 
nicht selten mehr, als Zehn Filmwelten zu beantworten vermöchten. 
„Wieviel die Künstlerin wiegF, haben wir bis jetzt nicht feststellen 
.können", lautet einer der negativen Bescheide, der immerhin hoffen 
läßt, daß das Gewicht der Künstlerin später doch noch be 
kannt werden wird. 
Die betreffende Künstlerin ist Lilian Harvey. Sie und ihr 
Partner Willy Fritsch sind geradezu mythische Figuren, 
mit denen sich die Volksphantasie wieder, und wieder beschäftigt. 
Da sie in der Vorstellung der Filmliebhaber unzertrennlich zu 
sammen gehören, können, diese schlechterdings nicht verstehen, daß 
das Doppelgestirn «neuerdings auseinander gerissen ist. „Später 
werden Lilian Harvey und Willy Fritsch bestimmt wieder Zu 
sammen filmen" — oft genug muß die „Filmwelt" Enttäuschte s 
auf die Zukunft vertrösten. Oder sie sieht sich zu der Erklärung , 
veranlaßt, daß die beiden Stars trotz ihres gemeinsamen Auf 
tretens nicht miteinander verheiratet seien, und Lilian Harvey 
gar nicht daran denke, sich zu vergiften. Wie weit die Heldenver 
ehrung getrieben wird, ist aus der folgenden Antwort zu ersehen, 
die sich bemüht, keine Illusion zu zerstören: „Ob Willy Fritsch 
in der Schule ,gescheit' war, wissen wir nicht, nehmen es aber 
als sicher an." 
Jene, die sich selber als „Filmratte Fridel H. Sch.", „Neu 
gieriger Filmnarr", „Micky Maus aus Hamburg", „Film-Ruth 
9695 aus Düsseldorf" titulieren, werden natürlich vom Wissen 
um ihre Lieblinge allein nicht satt. Können sie die schimmernden 
Vorbilder nicht mit Haut und Haaren verzehren, so möchten sie 
doch zum mindesten ein Zeichen in Händen halten, das .ihnen 
einen Anteil an der Existenz der Jdealtypen gewährt. Sie fahn 
den nach Autogrammen wie die mittlerweile ausgerotteten 
Indianer nach Skalps. Zum Glück scheinen sich die Stars darüber 
klar zu sein, daß sie nicht nur leuchten, sondern auch Unter 
schriften niederträufeln lassen müssen. „Sämtliche Filmstars," 
schreibt unsere Auskunftei, „geben Autogramme. Sie können sich 
direkt an sie wenden. Selbstverständlich ist immer die betreffende 
Bildkarte und ein adressierter, frankierter Rückumschlag beizu- 
fügen". Mitunter bleiben die Huldbeweise aus; doch die „Film 
welt" mahnt die Säumigen oder redet den Wartenden Zu, nicht Zu 
verzagen. „Daß Gösta Ekmann Ihre Autogramm-Äitte nicht er 
füllt, tut uns ja aufrichtig leid. Aber leider können auch wir 
Ihnen nicht helfen. Vielleicht versuchen Sie es noch einmal! Sie 
wissen doch: „Was lange währt, wird gut!" Unter Umständen 
Mund um die Mmstars. 
Lr Berlin, im Mai. 
Die Filmstars: Wend für Abend ziehen sie am Leinwand 
horizont Heraulf und beschreiben -glänzende Bahnen. Ihre 
Jugend kann nicht altern, ihre Schönheit nicht welken. Wien, 
Heidelberg, Montecarlo, Paris — alle Herrlichkeiten der Welt 
haben nur den einzigen Zweck, ihnen als Hintergrund zu 
dienen. Immer erblüht ihnen zuletzt ein Liebesglück und ein 
Kabriolett. Und weinen sie auch einmal, so werden doch ihre 
Tränen getrocknet, und dann strahlen sie wieder wie neu. 
Sie, die so hoch über uns flimmern, scheinen in Kontorräume, 
Töchterschulen und Fabrikbüros herein, und erfüllen die Wunsch 
träume zahlloser Stenotypistinnen, Verkäufer, Ladenmädchen und 
Lehrlinge. Wahnwitz wäre, die Stars in den Achtstundentag 
zerren zu wollen. Aber sollte es denen, die sich an ihrer über 
irdischen Pracht erfreuen, nicht wenigstens möglich sein, ein win 
ziges Stückchen Himmel an sich zu reißen? Es ist Zweifellos 
möglich. Und zwar ist die Zeitschrift „Film Welt" der Ort, 
an dem die Sehnsüchtigen das Ziel ihrer Wünsche erreichen. 
Dieses vielgelesene Magazin, das in den Kinos zugleich mit den 
Programmen verabfolgt wird, enthält eine Rubrik, die eine Art von 
Starwarte darstellt. Von ihr aus können die Filmfreunde und 
Filmfreudinnen in Dortmund, Bautzen, Magdeburg Blicke in die 
höheren Regionen tun und dabei Einzelheiten erspähen, die man 
mit dem bloßen Auge nicht sieht. Allerdings sind ihnen manche Fra 
gen von vornherein verwehrt. Hart erklärt die Redaktion: „Das 
Alter der Filmstars veröffentlichen wir nicht" und weist jeden zu 
rück, der sie über diesen Punkt ausholen will. Zum Troste versichert 
sie allen Einsendern, die das Alter auf eigene Faust zu erraten 
suchen, daß sie ungefähr richtig geraten hätten, teilt die Geburts 
tage und Adressen der Künstler mit und verspricht, ihnen Grüße 
zu übermitteln. 
Mit einem rührenden Wissensdurst, der sich nur anderen Gegen 
ständen zuwenden sollte, nähern sich die Ungenannten in den Niede 
rungen ihren himmlischen Lieblingen. Sie brennen darauf, die von 
den Stars bevorzugten Blumen zu erkunden, und wir müssen 
etwa hören, daß Willi Forst ein Freund von Rosen und Nelken 
ist, während Brigitte Helm Hortensien und Orchideen schätzt. Ich 
hätte mir das übrigens von Brigitte Helm gleich gedacht, denn sie 
hat so etwas Exotisches. Ein Filmkünstler ohne Lieblingsblumen 
ist nach alledem beinahe unmöglich. Und wie verhält es sich mit 
seiner äußeren Erscheinung, unterwegs' und daheim? 
„Liane Haid ist blond und braunäugig. Forst und Verebes haben 
schwarzes Haar und braune Augen", so antwortet die „Filmwelt" 
einem Verehrer. Auch die Haupttatsachen des Privatlebens gibt 
sie anstandslos preis. „Sie haben recht," bekräftigt sie, „Henry 
Stuarts Vater war Schweizer". Man vernimmt ferner: daß Käthe 
von Nagy von Eonstantin David geschieden ist; Rühmann zu den
	        
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