ZUM Ende des Sklarek-Urozesses
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heißen, daß einer der Verteidiger durch eine heimtückische
Krankheit dahingerafft wurde. Aber der Zufall erhellt stets
den Sinn des Geschehens, dem er zufällt.
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Die Star eks: Es wäre allzu billig, ihre Verbrechen mit
ihrer Herkunft in Beziehung zu bringen. Die Lahusen können
sich neben ihnen sehen lassen, und im Vergleich mit Kreuger
sind sie kleine Pinscher gewesen. Wie die andern Abenteurer,
Glücksritter und Gauner ihresgleichen haben sie einfach die
Nachkriegsverhältnisse genutzt, die ihnen entgegenkamen. In
alle Lücken, die sich ihnen durch den desorientierten Verwal
tungsapparat, durch wirtschaftliche Fahrlässigkeit und mit
einem nur noch von ihrer Skrupellosigkeit übertroffenen Ge
schick eingedrungen, um Vorteile für sich zu erlangen. Sie
haben Beutezüge mit verteilten Rollen unternommen. Ist der
herrschsüchtige Max, wie die Brüder behaupten, der eigent
liche Bandenführer gewesen, so hat Leo kraft seiner gesell
schaftlichen Talente gewirkt und Willi für die Herstellung
von Belegen und falscher Bücher gesorgt. Alle drei müssen
aus ihre Art hervorragende praktische Menschenkenner sein,
denn sonst hätten sie trotz der Willfährigkeit, die ihnen die
Gegenseite bezeigte, diese nicht so fest in ihre Hand bekom
men können. Allerdings, war es für sie weniger schwer als für
andere, ihre Menschenkenntnis zweckmäßig zu verwerten, weil
sie, an Verschwendung im Privatleben gewöhnt, mit den Be
stechungsgeldern nicht geizten, und die Kunst zu bestechen um
so leichter auszuüben ist, je größer die dafür aufgewandten
Summen find. Der Buchhalter Lehmann, der es wissen
muß, schätzte die Ausgaben für Beamte auf l^i bis 2 Mil
lionen. Diese Ausgaben lohnten sich, denn sie gestatteten den
Sklareks, sich durch Kellerwechsel, vordadierte Schecks usw. ein
Vielfaches der so freigebig verteilten Beträge zu beschaffen.
Eine Hand wusch die andere, und die andere wußte nicht,
was sie tat.
Der Kredit, den die Stadtbank auf Grund gefälschter Unter
lagen den Sklareks gab, erreichte die Höhe von zehn Millionen.
Aber waren die Sklareks auch Betrüger von Format, so
sammelt sich doch nicht das Interesse auf ihnen. Es ist viel
mehr der Welt zugekehrt, die dem Trio Vorschub leistete und
sich in seine Schwindeleien immer tiefer hineinreitzen ließ.
Da sie eine unantastbare Welt der Beamten und Würdenträger
war, saß sie vor allem in diesem Prozeß zu Gericht.
Zwei Bürgermeister, zwei Stadtbankdirektoren und noch
Berlin, 29. Juni.
Der SNarek-Prozetz ist mit der Verkündigung des Urteils,
gegen das keine Berufung wehr beantragt, sondern nur noch
Revision eingelegt werden kann, nach einer Dauer von
8Z4 Monaten zu Ende gegangen. Die Verhandlung folgte
einer Voruntersuchung, die sich bereits auf zwei Jahre erstreckt
hatte. Eine endlose Zeit. In ihrem Verlauf sind Zustände
enthüllt worden, deren deutende Darstellung eines Balzac
würdig wäre. Denn nur ein Dichter seines Formats könnte
aus dem Prozeß die Gesellschaft rekonstruieren, die dieses
jahrelange Treiben und Treibenlassen ermöglichte. Und wie
er mit einem scharfen Blick für das Einzelne die Verirrungen
der verschiedenen Akteure bloßlegen müßte, so müßte er auch
die Divinationsgab Hes Soziologen besitzen und den Zu
sammenhang zwischen diesen Verirrungen und der allgemeinen
Struktur des öffentlichen Wesens gestalten. Von den Spielern
und Gegenspielern sind einige durchaus typische Erscheinungen
gewesen.
Damit ist schon auf den Grund hingewiesen, aus dem
dieser Prozeß zur Sensation wurde. Das Publikum fühlte,
daß es in ihm nicht nur um die dreizehn Angeklagten ging,
die gefaßt worden waren. Hinter ihnen ahnte man andere
Figuren, die ebenfalls zur Verantwortung hätten gezogen
werden sollen, aber in einen undurchdringlichen Dunstkreis
gehüllt blieben.. Immer wieder wird in den Prozeßberichten
und Zeitungskommentaren die Frage nach diesen Hinter-
männern aufgeworfen und die begründete Vermutung ge
äußert, daß unter der Aera Boeß noch mehr faul war als der
jetzt herausgeschnittene Schaden. Man hätte die Operation
durchgreifender gewünscht, man schloß aus der hohen Stellung
der Korrumpierten auf den gewaltigen Umfang der Korrup
tion, man übte Kritik am ganzen System, in dem eine solche
Korruption sich so lange ungestraft austoben konnte. Die
politische Agitation vor allem hat von dem Prozeß zu
profitieren gewußt.
Daß der Prozeß sich nicht auf ein zu isolierendes
Ereignis bezog, verdeutlichen nicht zuletzt die düsteren Be
gebenheiten, die sich fortlaufend an seinem Rande vollzogen.
Zwei der Angeklagten, Direktor Kiebusch und Magistrats
rat Dr. Schalldach, starben während der Voruntersuchung.
Stadtrat Busch erlag im Juni 1930 einem schweren Lei
den. Generaldirektor Schuening beging kurz nach seiner
Zeugenvernehmung Selbstmord. Wie er, so mußten auch
andere Zeugen unvereidigt bleiben. Ein Zufall mochte es
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