! wenn:
1 er von Deutschen... oder einer Gesellschaft hergestellt ist,
j die nach deutschem Recht mit dem Sitz in Deutschland errichtet ist,
i 2. die Atelieraufnahmen und — soweit die Art des ver-
! filmten Gegenstandes es zuläßt — auch die Außenaufnahmen
in Deutschland hergestellt sind,
Z. das Manuskript, bei Tonfilmen auch die Musik, von
j Deutschen verfaßt ist,
4 . die Produktionsleiter und Regisseure Deutsche sind, und
j 5. 75 v. H. der Mitwirkenden innerhalb der einzelnen Ve-
j schäftigungsgruppen Deutsche sind."
' Es ist klar, daß durch diese Festsetzung die Freiheit der
inländischen Produktion getroffen wird. An ihr find faküsch
viele Ausländer (in der Hauptsache Oesterreicher und Ungarn)
beteiligt, die fortan nur noch in einem bestimmten Prozentsatz
auftreten dürfen, wenn ein unter ihrer Mitwirkung ent
standener Film das Prädikat „deutsch" erhalten soll. Be
teiligen sie sich in einer größeren Zahl als der zulässigen an
dem betreffenden Werk, so fällt dieses — eine rigorose Hand
habung der Verordnung vorausgesetzt — unverzüglich unter
die Sonderbestimmungen, die für ausländische Filme gelten.
Auch die Theaterbesitzer'haben Grund, von der Neuregelung'
eine Erschwerung ihrer Lage Zu fürchten; denn die von ihnen
schon seit einiger Zeit als unzureichend empfundene Beliefe
rung des Marktes durch die deutsche Produktion wird sich in
Zukunft eher noch dürftiger gestalten.
Aber hier handelt es sich nicht so sehr um die etwaigen
Schwierigkeiten des Gewerbes, als um den Gehalt der Maß
nahme selber. Sie ist zweifellos ein Zeichen jener autarki-
schen Tendenzen, die heute durch die Welt gehen (und sie
zersplittern). Andere Staaten haben ja ebenfalls ihre Kon
tingentbestimmungen oder werden sie erlassen. Dergleichen
steckt an, und bald wird sich jedermann fragen müssen: nicht
wo er der von ihm gemeinten Sache am besten dient, sondern
wo er die prozentualen Bedingungen nicht verletzt. (Sonder
bar oder vielmehr gar nicht sonderbar: daß gerade die Regle
mentierung nach derartigen „nationalen" Gesichtspunkten
Mechanistischen Grundsätzen Zur Macht verhilft.)
II. .
Wäre die neue Kontingent-Verordnung vorwiegend eine
Aktion wirtschaftlicher Notwehr, so hätte man sich außerhalb
der am Film interessierten Kreise wahrscheinlich nicht viel um
sie bekümmert. Die Sensation, die sie in der Öffentlichkeit
hervorgerufen hat, erklärt sich eben daraus, daß man in ihr
«weniger das Produkt ökonomischer Erwägungen als ein
Symptom des „n e uen Kurse s" erblickt. Sie scheint in
irgendeinem unterirdischen Zusammenhang mit der geplanten
Rundfunk-Reorganisation zu stehen und wie diese eine Kultur
Politik einleiten zu wollen, die den in der Regierungserklärung
des jetzigen Kabinetts vertretenen Anschauungen entspricht.
Und indem sie den Numerus eluusus für ausländische Film
schaffende einführt, begibt sie sich, so glaubt man Zu spüren,
in eine gefährliche Nähe Zum nationalsozialistischen Programm,
dem sich der verfassungsmäßige Begriff des Deutschen noch
Nicht einmal in der deutschen Staatsangehörigkeit erschöpft.
Indessen wäre es schon darum verfehlt, die Verordnung
rein als ein solches Symptom Zu bewerten, weil sie nach zu
verlässigen Informationen längst vor dem Regierungsantritt
des Präsidial-KabiM geplant gewesen ist. Wenn aber ihre
- Bearbeitung noch in die Zeit Brünings fällt, handelt es sich
Lei ihr jedenfalls nicht um eine plumpe Anpassung an die
augenblickliche Konjunktur. Hinzu kommt ferner, daß sie tat
sächlich ernsten Ueberlegungen entspringt, die auf eine Ver
besserung des Stands der deutschen Film
produktion abzielen. Diesen Ueberlegungen nachzugehen,
ist unter allen Umständen wichtiger als eine Kritik, die ihrem
Gegner nichts vorgibt und sich undialektisch zu ihm verhält.
Denn eine Sache angreifen heißt das wirklich (oder auch nur
vielleicht) mit ihr Gemeinte vollkommen ermessen.
Analyse einer Merordnung»
Zur Neufassung
der Filmkontingent-Bestimmungen,
Von S. Kracauer.
Berlin, im Juli.
I.
Die durch die Notverordnung vom 28.,Juni in
Kraft getretene Neufassung des F i l m k o n t r n g e n t-
Gesetz e s ist eingreifendex Art und hat sowohl ihrer prak
tischen Folgen wie ihrer mehr prinzipiellen Bedeutung wegen
Anlaß zu erregten Diskussionen in der Fachpresse und rn den
Tageszeitungen gegeben. Und zwar beziehen stcy dre Erörte
rungen vor allem aus die folgende, jetzt hinzugekommene Be
stimmung: ,
, „Ein Bildstreifen ist als deutscher Bildstreifen anzuerkennen,
Die Verordnung ist, wenn ich recht unterrichtet bin, auf
die Einsicht zurückzuführen, daß der deutsche Film an Su be
st anzlosigkeit krankt. Diese Erkenntnis — sie bildet die
Grundvoraussetzung der Kontingent-Bestimmungen — deckt
sich durchaus mit dem Ergebnis der kritischen Filmbetrach-
Lungen, die wir seit langem in der „Frankfurter Zeitung" üben
müssen. Immer wieder haben wir auf die Leere der meisten
Lei uns gebotenen Filme hingewiesen, auf ihre fatale Neigung,
die Wirklichkeit durch Illusionen und Dekorationen zu ver
stellen, auf ihre Armut an unableitbarem Leben, Mit einem
Wort: sie sind Konfektion. Nun geht die Meinung des
Gesetzgebers offenbar dahin, daß das Unwesen dieser Kon
fektion durch gewisse ausländische Elemente ver
schuldet werde, die sich an allen entscheidenden Stellen der
Filmbranche eingenistet hätten und andere, vielleicht substan
tiellere Kräfte verdrängten. Die ins Auge gefaßten Klüngel
näher zu kennzeichnen, ist hier nicht unsere Sache. Genug, daß
das Leitmotiv des zitierten Abschnitts der Verordnung dieses
ist: eine Handhabe zu erhalten, die es ermöglicht, bestimmte
verderbliche Einflüsse eine Zeitlang aus dem Filmbetrieb aus-
zuschalten und Raum zu schaffen für Menschen, denen man
mehr Gehalt zutraut. Die faktische Monopolstellung der
formalen Versiertheit, die unter anderem auch die
unmögliche Gattung der „gedubbten" Filme auf den Markt
gebracht hat — das heißt, jener Filme, in denen den Dar
stellern des Produktionslandes die Sprache des Absatzlandes in
den für sie nicht bestimmten Mund gelegt wird — soll zugunsten
von inhaltreicheren Leistungen aufgehoben werden, deren mut
maßliche Schöpfer sich bisher nur noch nicht hatten durchsetzen
können. Damit ist Zugleich gesagt, daß sich die Verordnung
ihrem Sinne nach nicht gegen die im deutschen Filmbetriebe
tätigen Ausländer als solche richtet, sondern allein gegen die
typischen Konfektionäre, die zum großen Teil Ausländer seien.
In der Tat ist den Kontingent-Bestimmungen ein Passus ein
gefügt, der den staatlichen Exekutivorganen gestaltet, aus
„kulturellen oder künstlerischen Erwägungen" im Einzelfall auf
die Durchführung des numerus eluusus zu verzichten. Unter
der Zur Zeit fraglos erfüllten Bedingung, daß der Exekutor
weiß, worauf es im Film ankommt, hätte also das Reich jetzt
eine vernünftige Regulierung des Filmbetriebs in der Hand?
Wir möchten es glauben. Aber jede gesetzgeberische Maßnahme
entwickelt ein eigenes Leben aus sich heraus, dessen Richtung
unabhängig ist von der des immer auswechselbaren Trägers
der Exekutivgewalt. Und es scheint uns keinen Zweifel zu
dulden, daß der Kontingent-Verordnung Tendenzen inne-
wohnen, die sich unter den herrschenden Umständen verhängnis
voll auswirken werden. Sie gehen nicht zuletzt aus einer
F eh l k o nst ru kti o n im Kern der Verordnung hervor.
III.
Angenommen selbst, daß die hier dem Gesetzgeber Zugescho
Hene Argumentation den Tatbestand trifft und für die Her ¬
stellung substanzloser Konfektiönsware faktisch die in der hei
mischen Filmindustrie wirkenden Ausländer verantwortlich zu
machen sind, so heißt das doch noch nicht, daß die Sub st a n Z
eine Funktio n d er Staatsangehörigkeit, der
Herkunft,- e r Ä b st a mmung sei. Eben diese verkehrte
Deutung des Tatbestandes gehört aber mit Zum Fundament
der Bestimmungen, und genau in ihr besteht die gemeinte Fehl
konstruktion. In anderen Zeiten hätte sie vielleicht keine be
denklichen Folgen, sondern träte hinter dem praktischen Zweck
einer solchen Verordnung Zurück; in unserer Zeit muß sie dar
um schädliche Wirkungen haben, weil sie eine weitverbreitete
Anschauung gewissermaßen legalisiert. Die nationalistische An
schauung, derzufolge das Nationale sich nicht in substantiellen
Leistungen offenbart, sondern, gleichviel im übrigen, wie es
beschaffen ist, als deren alleinige und entscheidende Bedingung
gilt, Sie macht die Substanz, die doch eine Sache für sich ist,
zum Derivat des Nationalen schlechthin.
Der TatbM der den Anstoß zur Verordnung gegeben
hat- läßt in Wirklichkeit nur die Deutung zu, daß man bei
uns nicht dazu fähig gewesen ist, dem ausländischen Einfluß
wirkungsvoll zu begegnen. Mehr noch: man hat die Konfektio«
näre nicht etwa lässig geduldet, sondern sie begünstigt und ihre
Ware, positiv bewertet. Zum Teil aus Gründen, die jedenfalls
nicht zu Lasten der betreffenden Ausländer fallen. Es muß
hier bündig erklärt werden, daß gerade die verlogensten
und hohlsten Produkte der Konfektion von
breiten Schichten desdeutschenKinopubli-
kums mit besonderem Beifall ausgenommen worden sind. Die
Branche hat sich nach den Kassenerfolgen gerichtet. Das An
schwellen der substanzlosen Filme kann also keineswegs allein
auf die Tätigkeit der Ausländer zurückgeführt werden, sondern
ist ebenso sehr in unserer gegenwärtigen Mentali
tät begründet. Enthielte sie genug Widerstandskräfte, so wäre
der etwa von außen kommende schlimme Einfluß rasch ge
brochen.
Nun könnte es scheinen, als ob die Verordnung dieser