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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.03/Klebemappe 1923 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

j uns trennte, um Schweinekoteletts für das WendeAen einzu- t 
Kaufen, wie feine Frau es befahl. ch 
Mein gelassen, trieben wir im Glycine^uft Wer den Heiligen 
berg ins Stettbacher Tal. Hinter uns schlug das Gebüsch 
zusammen, Rwaldo, so träumten wir, war am Eichhörnchen, das an 
der seidenen Strickleiter seiner Ballade sich in die Wipfel schwang, 
- inMer höher, bis es^ kichernd sich verlor; schwere Träume glitten 
wie GlutweLen über uns hin, wie wir uns in das kreisende Geheim 
nis des Laltrichters einbohrten, und aus dem grünen Meer, das 
aufwogte und sich um uns schlang, blmZLen versinkende rote 
Dächer uns verständnisvoll Zu, als seien wir MLverschweren^ als 
wüßten wir um etwas, was nur sie und uns betraf. Langsam 
ließen wir uns von der Mut tragen, da verebbte das Blattgerausch, 
und oberhalb des Talgrundes fanden wir uns auf weicher Rasen 
, fläche, die den geöffneten Kessel zart durchklang. Hier lagen wir 
nn abziehenden Lag, lange lagen wir hier, eingefangen von d-r 
reifen SpäLftunde, die unbeweglich verweilte und alles zum Stehen 
brächte, daß Mes ewig mit ihr zm weilen schien. Weiße Blüten- 
fülle wallte trag zu Tal, lastende Wälder wälzten sich über die 
Hügel unaufhaltsam ihr entgegen. Gianino wandte sich mir zu, 
das ist unsere Stunde, sagte, er, und nahm in einem Seufzer 
vieles vorweg- Mute um Blüte sank nieder, wir gingen hinab 
und kreuzten die bevölkerte Talstraße, zu deren Seite Akazien, 
Himmel, Wolken «nd Menschen m sorgsam «KgeteMsn Stau-Becken 
'IchanVeEss sich MeMen. 
viele Schriftsteller möchten am Ende eine Unruhe erzeugen, die der 
Literatur nicht zuträglich ist — schmale Wege führte uns 
^Rinaldo hinan zu Einern Standquartier, der Villa unterhalb der 
Burg und pfiff seiner Frau, die uns alle mit hinein nahm, während 
e selber überfloß von Schmidtbonn bis George, von Goethe bis 
Edschmid, die ganze Literatur hindurch, daß es uns fast den Atem 
verschlug und wir ein Glas Himbeerwasser nach dem andern ver 
schlangen, um nur ja bei Besinnung zu bleiben. WN traten auf 
den Balkon und dachten, daß es sich hier Art weilen lasse, so in 
halber Höhe an der Grenze von Gebirg und Ebene, hinter Es 
die zum Meliöocus «mst-eigenden Wälder, vor uns weit, weit die 
gesellige Rheinebene, bewohnte unendliche FlWe, die jenseits im 
Himmel sich löst. Wie da der Odenwald sich sanft hinemschwingt 
in die befreundete Eben-', dachten wir, als ob er wisse, daß sie zu 
ihm gehört, welch leichte Wege er den nach Abkehr bedürftigen 
Menschen bereitet. Und wir dachten, »daß dies gerade die rechte, 
schwer M treffende Mitte sei, wenn aus dem geräumigen Flach 
land mit seinem Strom, seinen Städten, Dörfern und Straßen 
so wie hier in schmiegsamem' Crescendo der Höhenzug cwfchwillt, 
fühlten uns angeheimelt von dem Einklang Zwischen der verhüllten 
Offenheit der Ebene und dem geöffneten Schweigen der Wälder. Da 
brach Rivaldo nach Räuber-art in unsere Meditationen ein, auf 
Jndianerpsaden drangen wir, von ihm geleitet, zur Burg hinan, 
einem Kinderspieheug von Burg mit Tischen, Bänken und Brause 
limonade, und weitbogige Waldwege taten sich auf, die Leuchtend 
in der Richtung nach Jugenheim sich wanden. Wr trödelten hin 
im Nachmittag und Rinaldo zwischen uns trug eine Ballade vor, 
eigene verjährte Komposition, lang sei sie zwar, kündigte er an, 
aber sie werde den Gang uns kürzen. Der Weg, den vielen Buch 
tungen sich anpassend, krümmte sich, und die Ballade krümmte sich 
nnt, wir stiegen an und die Ballade stieg mit, es war eine elastische 
Ballade, länger als der ganze Odenwald, nie hätten Gianino und 
! ich geglaubt, daß eine Ballade so lang sein könne. Sie besang den 
! Untergang eines alten angelsächsischen Grafengeschlechts, gut nur, 
daß damals das Abendland noch ahnungslos weiterbestand. Wäh 
rend der fromme Grafensproß, in Raserei geratend, an der schönen 
Dirne aus dem Volk schändlich sich verging, sickerte Las Licht grün 
und spöttisch, spöttisch wie Ninalds selber, durch die dichten Laub- 
Wer, harrn wieder zeigte sich kokett in immer nerzen Situationen 
die nahe Ebene, während längst Mammon mrs dem Grafenschloß 
MZelien, dM Schloß veröVmmkL rmtLMich miismnt hmn Gra- 
stn und dsr Dirne, uNd indM die Verse -erschöpft M dm Hafen 
der MomL siKmündeten, kletterte ein ihnen entsprungenes Sich- 
Wimchen «m grauem Buchenstamm empor, und Zwischen roten 
.KrHkKLM HamHLO Med-SP Jrrgenhetzn auf, wo Rmakdo sich von 
Jn^ der Mmmemng FerfM^ die Eintracht Mischen Gebirg 
und Ebene. Zu sanftmütig war der glatte Tag gewesen, jetzt riß 
die Ebene M aus der Umarmung fcheu zurückweichender Hügel, 
stöhnte auf in der Schwüle und brächte es doch nicht über ein 
Stöhnen hinaus, so fest umklammerte sie noch der Tag. Fahriger 
Glanz fuhr über den Horizont und schwand ins Ungewisse, Ge- 
knirsch wie aus Höhlen brach vor, unheimliche Revolte, dazwischen 
Flüsterworte und Gelächter, das die Lust durchschnitt, die brünstig 
uns^umschwamm--- tMischer Zwielichtfpuk das alles, der brandige 
Gerüche ausschwitzte und an unsichtbaren Ketten zerrte, gierig sich 
i auszutoben Zwischen Tag und Nacht Wo war nun Wohllaut der 
- Landschaft, blieb Gleichmaß und schön-freiwilliger Uebergang ? 
i AufgestSrt schritten .wir verwandelte We.ge, Fremdheit drängte sich 
Nn und ls^rte die Gehege, schweifende Gedanken flogen aus.! 
! Müchru Tag und Nacht, verhallenden Stimmen nach, die vergeb-i 
l'ch sich riefen. Und wir umfaßten Gebirg «nd Ebene, Nacht 
und Tag, auf des Messers Schneide gingen wir hin. Dunkles ver 
strömte. Unruhe M-rkvampfte sich, SMenenstränae, wußten wir. 
liefen endlos nach Süden, nach Süden. Fiebernd huschte die Zeit 
vorbei und höhnisch kichernd äffte uns Rinaldos Ballade, Karr-« 
katur jenes Abenteuers, das im Zwielicht uns suchte, nicht mehr 
als versuchte freilich, weil der sanftmütige Tag wieder 
und wieder uns band. Dann wuchsen Häuserküsten herauf, Garten 
buchten Müßten — Seeheim kam auf uns zu und alle Dinge M- 
Leu noch ihren Namen. Dsrflausbuben rauchten im Gswinkel, und 
unter Bäumen, Zwischen Lichtern, sammelten wir UNI an gedockten 
^Tischen zu den Uebriaem Automobile, Menschen, Musik — das 
!alte, selbe Spiel, bewegter Hintergrund und rauschender Schleier, 
! immer cmfs weue im die Hergen! 
! Spät noch ginMn wär manbelmuhMt in den Abend- Haus- 
wände, Weich und fensterlos, blieben zurück, urch MLdsVen 
Mauern, dE kurz nur folgten, entrann talernwärts ein v-emmn- 
schenM SMuchtwag, der uns in seAve Kühle rmt sich nahm. Host 
stoße karrten E Rand, Ha^dufL webte an, ein Bach klang' auf 
im Dunkel — wir Kaubten rm Hochgebirge zu fein, fern in den 
-DoLomiten, auf gewu-ndeper Patzstrahe glaubten wir zu wan 
dern und spähten nach weißen Gipfeln aus, lauschten verirrtem 
Geläut, aber kein Gipfel zeirgte sich, kein fremder Ton betörte, 
nur WäMerscmsen ringsum und Plätschergewebe im Grund. 
Ueber den Bergs-aum her glotzte ein Stern, ein roter riesiger 
SWon, der näher und näher, kam und uns durchbohren wollte 
mit bösem funkelnden Blick. Eng rückten die Wälder aneinander» 
Fackeln schienen zu schwingen, nicht Fackeln waren es. Meine 
Helle Punkte vielmehr, die unbeweglich harrten, Lichtpunkte, 
die bald wieder schwanden und wieder sich zeigten, Lichter in ver 
borgenen Häusern, derep Schimmer das Laubgeriefel rnKd 
duachgloww. Die ErschMnung stand und verging, wir starrterr 
ihr nach im Anhauch der Nacht, und mit uns stcrxrte der Ssern, 
neu gierig-verwundert, so gar MHL mehr böse. HMe Rinalds 
eine neue Ballade gezaubert? Uebermütig summte Gianino 
einen Nagtime in Vierteltönen, und droben der rote Glotzende 
tanzte dazu, unverdrossen tanzte er noch, als wir, in unseren 
Mänteln fröstelnd, Abschied -ihm wirkten und schnelleren 
Schnittes nach Hause zogen. In dem Baumdnnkel rechts schlvebte 
eine Wand ohne Hast im Gesträuch, groher Abend-Kehr 
aus war voller Geglitzer, Wirbel und Abgesang auch in ums^, 
dieweil der Bach leise plätscherre urch der vermummte WMnino 
den ganzen Wunder von Mädchen, Leben und Liebe stoßweise 
omsschütteEe irr die Nacht. Zuletzt verbalste das Wäldersausen 
hinter LNs, schläfrig strichen 'die räed-eren. Mauern hsrbei und 
AMMMWelm-VersanikM-U. 
Sitzung vom 29. Mai. 
Zu Beginn der Sitzung kamen einige M a g i st r a t s v o r - 
lagen Zur Verhandlung. Der Magistrat teilte mit, dm in diesem 
Jahre die gleichen Stvaßenbahnfah^ wie im Vor ¬ 
jahre für die Besucher der städtischen Strandbäder Zur 
Anwendung kommen sollen. Stadtv. Bechstedt (Dem.) forderte 
wieder die schon einmal abgelehnte Fahrpreisermäßigung für die 
Besucher des Licht- und Luftbades an der Eschersheimer Landstraße, 
Stadtv. Hipp er (Zentr.) Ermäßigung für die Kleinrentner. 
Stadtv. Lang (Komm.) beantragte höhere Ermäßigungen als die 
vorgesehenen. Der Antrag Bechstedt wurde angenommen, die An 
träge Hipper und Lang gingen an den Ausschuß. 
Die Aufhebung des A n sländ ertarifs bei der Straßen 
bahn soll im Hauptausschuß nochmals durchberaten werden. 
Die erhöhte Zuwendung an die P a t e n g e m e i n d e 
Zaborze in Oberschlesien wurde sofort genehmigt. 
Auszahlung der Beamtengehalter. 
Stadtv. Frl. Dr. Schulst (Dem.) begründete im Anschluß an 
die Vorlage über Einführung ei nerAltersgrenze für 
Beamte den folgenden Antrag: 
„Ist der Magistrat bereit, sofort bei der Reichsregierung vor 
stellig zu werden, daß als Vorschuß sofort nach Genehmigung für 
die Reichs- und Staatsbeamten die Beamten- und Angeftellten- 
' Zuschläge den Gemeinden überwiesen und die Regierungspräsi 
denten durch Telegramm angewiesen werden, sofort die Zahlung 
. Zu leisten, damit die Komwunalöeamten und Angestellten gleich 
den Reichs- mnd Staatsbeamten s ö f o r t in den Bezug der Gel 
der kommen. Ferner erwartet die Stadtv erordneten-V^ 
kung, daß die Stadt Frankfurt a. M. die ihren Beamten und An 
gestellten Zustehenden Betrage ganz und nicht in Raten zahlt." 
Bei der Begründung hob Frl. Dr. Schulst hervor, daß Frank 
furt die einzige Stadt des Regierungsbezirks sei, die, ihre Beamten 
und Angestellten in Raten bezahle. Die Schuld hieran liege wohl 
an dcm Personalamt, das dte erforderlichen Unterlagen nicht recht 
zeitig dem Regierungspräsidenten unterbreite. Zum Schluß stellte 
sie den zweiten Antrag, der Magistrat möge die Mai-Teuerungs- 
Fuschüsse sofort ganz Zur Auszahlung bringen. Stadtv. Thomas 
(Soz.), der auf die Notlage der Arbeiterschaft Hinwies, forderte 
ebenfalls eine schnellere Auszahlung der jeweiligen Beträge. Auch 
Stadtv. Lang (Komm.) begründete'einen (bereits veröffentlichten) 
Anwag, wonach u. a. den Arbeitern eine Entschädigung von 10 000 
Mk. für nicht rechtzeitig ausgezahlte Teuerungszuschüsse gewährt 
werden soll. Stadtv. Gervien (Soz.) beantragte Neberweisuttg 
der Vorlage über die Einführung der Altersgrenze für Beamte an 
den Organisationsausschuß. Er erklärte sich nicht einverstanden mit 
d.r Bestimmung, daß Ausnahmen bei der Zwangspenstonierüng 
zulässig seien. Stadtv. Landgr^be (lib.) sprach sich gleichfalls
	        
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