Skip to main content

Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

ac. 
Welt, der jeder Hauch von Seele fehlt. 
§) 1^» n -wrk, /L- 
Die große Unbekannte. Die zweite Abteilung des in den 
U T. - Lichtsp ielen vorgeführten Films überinfft die erste 
noch an Filmgeist, Unwahrscheinlich^ und Situationskomik Das 
Los, das heißbegehrte, um dessentwillen sich der Exprinz und seine 
Kusine, die Expr^rzessin, so vielen Gefahren ausgesetzt haben, ist 
in Hesperien, in den Händen des zur Zwangsarbeit verurteilten 
Ministerinos, zurückgeblieben. Gmnd genug sür den Vnnzen, so 
gleich wieder nach dem ihm verbotenen Lande aufzubrechen; und 
die Prinzessin schließt sich aus vielleicht noch triftigerem Grunde 
an. Denn ihr geliebter Caballero ist dort zum Tode verurteilt' 
worden, weil er ihr zur Flucht verhoftn hat. Die Rettung der 
beiden: des Loses und des Caballero wird nun zur nie versiegen 
den Quelle von Irr- und Wanderfahrten, die gefahrvoll scheinen 
und heiter sind. , Schon die Schwierigkeiten, nach Hesperien zu ge 
langen, sind nur im Film zu besiegen. Der prinzliche Bajazzo 
schleicht sich als Steward in den Dampfer ein, und üie Prinzessin 
zwingt den heimkehrendsn hesperüchen Gesandten dazu, sie als 
seine Frau mitzunehmen, ohne freilich, wie er wohl gern möchte, 
alle Konsequenzen aus dieser Rolle zu ziehen- Wie sich der Prinz 
mit dem Ministertrio des Loses wegen aus ein and ersetzt, und wie 
die Prinzessin schließlich ihren Caballero erwischt, das ist eine 
lange und sehr verwickelte Geschichte, die wieder einmal lehrt, daß 
die Gesetze der Logik im Bereich des Films ihre Geltung ver 
lieren. Der Zufall zerreißt hier das Geflecht der Begründungen 
und treibt die einzelnen Situationen zu selbständiger Wirkung 
heraus. Sie sind oft unwiderstehlich drollig, diese Situationen, 
und man mag sich anstellen, wie man will, man muß lachen und 
nochnAÜs lachen, wenn Minister Cocolores, von seinen beiden 
--Kumpanen gezogen, auf einem Weinfaß durch die Wüste rollt, 
-oder mit Ihnen zusammen in einer Kiste sitzt, die angeblich 
Kanarienvögel enchält. Das Fazit des komplizierten ' Unter 
nehmens ist, daß alle Beteiligten glücklich an und über die Grenze 
gelangen. Prinz und Minister, die sich das Los bis zuletzt streit'g 
machen, sind allerdings gleich sehr betrogen, denn dieses Los er 
weist sich als Niete, und das ist, auch wenn man der Sache auf 
den Grund geht, höchst moralisch. Dafür darf die Prinzessin end 
lich ihren so teuer erworbenen Caballero besitzen, was nicht anders 
zu erwarten war, und ebenfalls moralisch ist. In dieser zweiten 
Abteilung taucht als neuer Spieler nur G. Bafel! auf, der 
den hespe.eschen Gesandten mit Würde Begierde und Feigheit 
ausstattet, und als noch unbekannter Hintergrund dehnt sich vor 
unseren Augen Lissabon mit seinen Palästen und bepalmten 
Aöenuen. Eine Passe: „C h a p l i n als Za y n arz t" geht 
voran. Amerika in Ehren und Chaplin womöglich noch mc^r in 
Ehren —, aber das Uebermaß an amerikanischer Kost, ist nicht 
bekömmlich, und zurück bleibt Langeweile und Versruß. Lum 
das Prinzip der Chaplinaden ist doch immer das gleiche: die 
Demonstration der Wrsenlosigkeit und der verzweifelte Kampf lus 
en'.wirklich!en Menschen mit der mechanisierten Wett. Wwde.holL 
sich nun ewig das alte Spiel, so wird der Witz zuletzt saülos, und- 
man spürt nur noch widerwillig die Roheit dieser ganzen Chaplin- 
Türe lag. Nach ihrer Oeffnung befand man sich endlich im Vor- 
raum, besten (von den Dieben durchwühlte) Schätze alle Er 
wartungen übertrafen. In guten Lichtbildern führte der Redner 
Sinzelstücke vor. Da ficht man zwei Statuen, die am Eingang 
zum eigentlichen Grabraum Wache halten, ferner Gefäße, Truhen, 
Kasten; sämtlich überreich ornamentiert und mit Kostbarkeiten an 
gefüllt. Königliche Wagen sorgen für Beförderungsmöglichkeit 
im Totenreich, mumifiziere Enten mögen als Nahrung dienen. 
Auch an Sitzgelegenheiten ist kein Mangel; neben leichten und ele 
ganten Ruhebetten findet man herrliche Prunkseffel mit Löwen 
füßen, SLlangenschmuck und figürlichen Darstellungen von sym 
bolischem Charakter. Die meisten Zierate find farbia gehalten und 
aus Silber, Gold, Fayence und anderen edlen Materialien ge 
bildet. Von den Vasen herrschen solche aus Alabaster vor. die 
allerdings vielfach bereits dekadente Formen zeigen. Unerschöpf 
lich ist die Menge des Kleinschmucks: der BmstgchLnge, Skarabäen 
usw. usw. 
Das Eindringen in die eigentliche Gmbkammer ist erst vor ».anz 
kurzer.Zeit erfolgt. Man befand sich vor einem großen, aus vier 
Einzelschreinen bestehenden Schrein, her den Zugang zum Sarko 
phag versperrte. Seine sachgerechte Entfernung war mit vielen 
Schwierigkeiten verknüpft. Endlich, am 12. Februar, konnte man 
zur Oeffnung des Sarkophags schreiten. Unter Bahrtüchern fand 
man einen übergoldeten Mumienschrein, der die vollkommene Nach- 
biluna einer menschlichen Gestalt ist. Die Fortsetzung der Aus- 
grabungZarbeiten ist inzwischen, wie bekannt, von her ägyptischen 
Regierung verboten worden Nicht unerwähnt bleiben mag in 
diesem Zusammenhang, daß das Vorgeben EarLerS stets mit Um 
sicht und nach streng wissenschaftlichen Grundsätzen erfolgte. Jedes 
. arrsgegArbene Stück wurde Z. B. sogleich photographiert, so daß 
! die Leerung einer Truhe oft Wochen in Anspruch nahm. 
Zum Schluß gab-Dr. Vatter noch an Hand vieler Lichtbäder 
einen vorwiegend kulturgeschichtlichen Usberbttck über die Epoche 
der 18. Dynastie. Ausführlich verweilte er vor allem bei dcm 
Schwiegervater Lut-anch-Amons, dem mächtigen König A m e n o- 
vlns IV., der mit beispielloser Energie an Stelle der unzähligen 
ägyptischen Götter die Venchtung eines einzigen Gottes, des 
Sonnengestirns einführte Er verfolgte vor allem den Gott A-non. 
baute sich bei dem heutigen El-Amarna eine neue Residenz und 
veränderte seinen eigenen Namen in Echenatön, .Glanz der 
Sonne". Die neue Religion überlebte freilich ihren Gründer rückt 
lange, und schon der schwache Tut-anch-Amon, der nur sechs Jahre 
regierte, kehrte wieder MM alten Kultus Zurück. Der lebhaft be 
dankte Redner mußte seinen am Montag gehaltenen Vortrag des 
großen Andrangs wegen gestern noch einmal wiederholen. Kr. 
Tut-anch-Amon. 
Der Name deZ alten AeghpterköntgS Tut-anch-Amon, 
von dem vor der Entdeckung seines Grabes nur wenig« wußten, M 
Kit zwei Jahren in aller Leute Mund. Welche Anziehungskraft 
er ausübt, bewies der Andrang zu dem Lichtbilder-Vortrag von 
Dr. Ernst Natter, Kustos am Völkermuftum, der über, die 
Grabfunde berichtete und zuglerch' ein Bild aus der B lu t e- 
zeit des Pharasnenreichs bot. Der Redner, der es ver 
stand, sein äußerst reiches Material klar und übersichtlich auszu- 
breiten, stizzierte zunächst kurz die Geschichte AegyptenI bis zur 
18. Dynastie. Schon im alten Reiche, so hob er hervor, tauchte 
die Idee auf daß es notwendig sei, den menschlichen Körper surch 
Mumifiziernng in seiner Vollkommenheit zu erhalten, den Toten 
vor Beraubung zu schützen, u^) ihm alles ins Grab rmtzugeben, 
was sein Leben hier ausmachte. Da nun selbst die AnordnuW 
von Irrwegen in den Pyramiden Eindringlinge nicht zurüLznhal- 
ten vermochte, begann ein König der 18. Dynastie (Thutmosis I.) 
damit, seine Totengruft in einen; einsamen Felsental am 
thebanischen Westufer anzulegen. Es war dies ein in dre Felsen 
eingebautes Haus mit mehreren Kammern, dessen Eingang zuge 
mauert wurde. Um ihn verborgen zu halten, tötete man gewöhn 
lich die Kriegsgefangenen, die mit der Errichtung der Grabstätte 
betraut waren. In dem sogenannten „Tal der König e" rcwt 
sich Gruft an Gruft; die meisten freilich sind entleert, da, zumal, 
unter der 20. Dynastie, das Gewerbe der Grabrauber blühte, Ihr 
Treiben war so schamlos, daß treue Priester die Ksnigsmunnm 
an einem verborgenen Orte zusammentragen und bewachen muß 
ten um sie vor Schändung zu bewahren. Man entdeckte 
ehrwürdige Versammlung erst vor wenigen Jahrzehnten, ars^mn 
einer in jener Gegend ansässigen Grabrauherfamilie aus die Spur 
kam, die durch Beraubung der Mumien ihren Unterhalt fristete. 
Enthielten diese Gräber aus begreiflichen Gründen nur wemge 
Kostbarkeiten, so birgt das durch Howard Carter aufgefundenr 
Grab von Tut-anch-Amon Schätze, die großartige Zeugen 
ihrer Heit sind. Die Geschichte seiner Entdeckung ist spannend wie 
nur irgend ein Roman. Schon lange hatt? Carter vermutet, daß 
Tut-anch-Amon nicht weit von Ramses VI. ruhe, da man in besten 
Grab Tongefäße mit seinem Namen ausgmb Nach vielen An 
strengungen stieß endlich unter den inzwischen entferntem Ar 
beiterhütten bei dem Ramses-Grab auf eine.Treppe mit 16 L)w,en 
und den vermauerten Eingang. Aus den in den Lehm gepreßten 
Siegeln erkannte er, daß das Grab doch schon, einmal geöffnet 
worden war - allerdings bereits vor 3000 Jahren, seit welcher 
8E keines Menschen Fuß mehr die Stätte betreten hatte, Huner 
.der Tür Zog sich ein zur Erschwerung des Vordringens mu ^Lei- 
nm gefüllter Gans -in, an beym Ende wieder eins verflegeM 
Beisetzung der Freifrau v. Rothschild. Gestern vormittag 
Knd in aller Stille die Beerdigung der Freisvau v. Rothschild 
statt; an der Prunklosen Trauerfeier nahmen auch Familienmit- 
glieder aus Wien, Baris und London teil. Rabbiner Dr. H o ff- 
mann gedachte in schlichten Worten des erfüllten Lebens der Ent 
schlafenen, das sich auf allen Gebieten des Daseins reich und frucht 
bar entfaltet hatte. Er feierte zumal ihre an der Seite des Gatten 
geübte Kunst des Wohltuns, die sich in der Gründung und 
Unterstützung vieler WohltätigkeUs-Anstatt auswirkte und Tau 
senden von Hilfsbedürftigen zum Segen wurde. Auch pries er ihr 
inniges Verhältnis zum Judentum, das von Jugend vn bis ins 
patriarchalische Alter hinein ungetrübt fortbsstandl Zum Schlüsse 
rief er ihr Dankesworte nach im Auftrag des Vorstandes der 
Israelitischen Gemeinde, dem ste vor kurzem erst das alte Roth- 
j schildsche Bankgebäude überließ, und namens aller Anstalten und 
Institute, die sie geschaffen und durch Zuwendungen miterhalten 
hatte. — Weitere Ansprachen unterblieben auf ausdrücklichen 
Wmsch der Verstorbenen, die nach altjüdischem Ritus im unge 
hobelten Holzsarg Leigesetzt wurde. 
-- Ein PalSstma - Film- Am Sonntag wird im Schu - 
m a n n - TdeaLL r ein erst vor kurzE aufgenommener Pa'lä- 
stina - FiIm deS Jüdischen Nation alfonds vorge 
führt werden, der einen trefflichen Einblick in das Leben der jü 
dischen Bevölkerung gewährt. Ein aufblühendes Leben, das sich 
hier entfaltet! Die vielen Zuwanderer, die zumal den östlichen 
Ländern entstammen, machen den Boden wieder fruchtbar, 'er 
richten Siedlungen und erringen sich in täglicher harter Arbeit ihre 
Heimat. Jüdische Bauern brechen die Scholle um, Pflanzen 
Tabak und treiben Geflügelzucht; auch die Mädchen beteiligen 
sich an der Landwirtschaft, sie greifen bei der Mmldelernte oder der 
Orangenernte und überall, wo es not tut, Mg ein. Das schnelle 
Wachstum der Siedlung en im Film zu verfolgen, ist unge- 
wein reizvoll. Auf den mit den Geldern deZ Nationalfonds er 
worbenen Land flächen entstehen weiträumige Zeltlager, die den 
Kolonisten vorerst zur Heimstätte werden. Bald beginnen die 
Bauarbeitern und in nicht allzulange? Zeit reiht sich Haus an Haus. 
Daneben die stete Pflege des Bodens: im Kampf gegen die 
Trockenheit werden Moderne Wasserwerke errichtet und Zahlreiche 
BaumpflanMngen angelegt. Auch die Industrie nimmt einen 
offenbar guten Anfang Die Versorgung der Gegend mit Elek 
trizität wird in großem Maßstab durchMführi und andere In 
dustriezweige bemühen sich, wie Silikat-Fabriken, WeinkeltLreim 
u-sw. zeigen nun die Verarbeitung der Laltdesprodukte. Hinter^ 
gründ bildet stets die eigenartige Landschaft, die von herber und 
fremder Schönheit ist. Man sieht den Jordan mit seinen buschigen 
Ufern, die Ebene Jesreel weitet sich, und am Horizont steigen die 
kahlen GebirgsNnge an. Nicht zuletzt werden die Städte gezeigt 
Jaffa mit dem neuen Stadtteil Tee-Awiw, der künftige Hafen 
Haifa, TiLerias am See, Genezareth und vor allem Jerusa 
lem, dessen historische Stätten in ausgezeichneten Aufnahmen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.