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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

Ende, aber verzweifelt er an der Oede, wehrte sich in s 
tern die vMüMWLLtLELLlLL.SMe Wi 
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ihrer entraten Zu können, daß er Gesellschaftskritik mit innerer! 
Entscheidung verwechselt. So entstehen jene abstrakten Typen, die 
den einen oder anderen Einzelfall auf begrifflicher Grundlage 
maschinell verallgemeinern und ohne Umschweif objektive Geltung 
beanspruchen; das eben macht sie unwahr und beraubt sie ihrer 
MMMndm Bedeutung. Statt von der Tiefe her das flache 
Außen zu erfassen, wechselt Grosz nur seine Stellung an der 
Peripherie, wenn er sich moralisch gebärdet. Er gehört als Pro 
pagandist noch der Welt an, der seine Figuren entstammen. Lr. 
Gründung ekner FlugbeMebsgesellschafi. 
Zu der gestern von uns veröffentlichten Nachricht über die 
Gründung einer FlugL eLriebsgesellschast in Frank 
furt wrd uns ergänzend m'ägeteilt, daß sich die Angelegenheit 
noch in vorbereitendem Stadium befindet. Auf die Eirü 
zelheiten einzugehen, ist begreiflicherweise erst nach Vollzug der 
Gründung möglich; man hofft, daß sie in Bälde erfolgen kann 
und die Schwerigkeiten, die ihr entgegenstehen, sich als besiegbar 
erweisen. Die Mittel sollen von der Stadt und von privater 
Seite gemeinsam aufgebracht werden. Zunächst ist geplant, nur 
eine Line ziu eröffnen, die den Anschluß an das internationale 
Flugliniennetz gewährt. Von größter WichtiHeit wird es natur 
gemäß sein, die Verbindung mit ausländischen Flugver- 
, kehrsgesellschasten herzustellen. Bereits seit Jahren sind Versuche 
! nach dieser Richtung hin im Gang gewesen, und es liegt durchaus 
! in der Natur der Sache, wenn die früher angesponnenen Fäden 
! jetzt wieder ausgenommen werden. Daß ihre Verknüpfung ge« 
kinge, ist umso mehr zu erwarten, als für das Ausland ein 
l Markes wirtschaftliches Interesse an der Einbeziehung 
Frankfurts in das europäische Flugnetz besteht. 
" Wortrag Georg" Grosz.jj Marck, unbekümmert, schnöd: 
dies der Querschnitt durch den Zweiten „Querschnittsend" der 
Frankfurter Galerie Flechtheim, «an dem Georg Grosz einige 
Notizen über Kunst, Zeit, Moral, Politik und fich selber verlas. 
Was er' sagten war immerhin als Kommentar Zu seinem eignen 
Schaffen aufschlußreich. Hat Kunst in dem „Gestank unserer 
Tage^ noch ein LemusrechL? Grosz spricht von ihrer Liquidierung 
und gibt der Photographie und dem Film die Ehre, die Dampsons 
Muskelspiel besser reproduzieren/als es der Künstler je vermag. 
Futuristen und Kubistm schlagen den Kino ebenso wenig wie die 
Maler des Innenlebens, und die Konstruktivisten stehen hinter dem 
Ingenieur zurück. Ernst Zu nehmen allein der Dadaismus, der 
vor dem Nichts ehrlich kapituliert. Dennoch kann Grosz nicht um 
hin. die erstaunliche Tatsache mMerkmMN» daß selbst in dieser 
zerfetzten Welt Kunst nicht ganz verloren gegangen ist, daß eine 
Reihe von Künstlern geradezu monomanisch scheinbar zweckloser 
Arbeit fich widmet- Der Nihilist wird, bezeichnend genug, zum 
Moralisten, wenn er das FrÄtum erklären soll. Künstler, so 
meint er, sind Revolutionäre und ihre Leistungen aus dem Willen 
zu neuer Zukunft geboren. Mese Deutung pro ckoino findet an 
einigen hingesausten autobiographischen Bemerkungen ihre Stütze. 
Vor dem Krieg ist Grosz seiner Aussage zufolge, Idealist und 
misanthropischer Individualist gewesen. Er studiert foKtoristische 
"Zeichnungen und behält Eindrücke von der Straße auf der Netz- 
hrmL zurück. Erkenntnisse: die Menschen sind Schweine; 
Seele gibt's nicht. Im Krieg reist der Haß gegen das 
Militär und die Einsicht, daß Höllenfürsten auch heute 
noch in Menge herumlaufen. Grosz entdeckt, daß er mit 
dieser Beobachtung nicht allein steht und findet das früher ver 
mißte Publikum der Gleichgesinnten. Nach dem Krieg Annahme! 
des kommunistischen Evangeliums und Beschränkung des Haffes 
auf die Ausbeuter und die Institutionen. Das Moralische wird 
Trumpf, dO Schlagwort Bild. Nece bomo. — Die Bekenntnisse ! 
des Künstlers stimmen zu seinem Werk. Gewiß, er denkt die ExL- 
stenzleere des heutigen Menschen mit Auge und Zeichenstift zu 
Ende, aber verzweifelt er an der Oede, wehrte sich in seinen Blät- 
Man dürfe, wenn man die Methoden Rußlands angreife, 
vergessen, daß seine Führer von hohem Idealismus beseelt 
und eine bewunderungswürdige Objektivität entfalteten. 
Die Rednerin hielt sich in Moskau in einem Kreise 
militaristisch gesinnter Anhänger Tolstois auf, Zu dem 
eins Schwiegertochter Tolstois gehört. „Die Freunde der wahren 
Freiheit im Sinne Tolstois", so nennt sich der Bund, der das 
Prinzip der Gewaltlostgkeit vertritt und trotz seines Abweichens 
van der Regierung durchaus optimistisch über die Zukunft denkt. 
Eines der interessantesten Erlebnisse Frau Dr. Stöckers war eine 
Verhandlung gegen Kriegsdienstverweigerer vor dem 
Volksgericht. Zu verantworten hatte fich eine Reihe von „Evan 
gelisten", Mitglieder einer Sekte, die fich auf das Neue Testament 
stützt und darum den Krieg verwirft. Erschwerend kam in Be 
fracht, daß nicht alle dieser Tolstoischen Gestalten gleich strenge 
pazifistische Konsequenzen gezogen hatten. Das Gericht wies die 
Angeklagten ab, denen aber noch das Recht der Berufung Zustand 
Mit Gräfin Tolstoi unternahm die Rednerin auch einen Besuch 
ins Tolstoi « Museum, das alle Andenken an den großen 
Dichter vereint. Sie berichtete einiges Nähere über seine Ehe, 
deren besondere Tragik darin bestanden hatte» daß Tolstois Frau 
von seiner Sendung nur wenig oder garnichts ahnte. So sehr 
man übrigens im neuen Rußland den Dichter und Künstler Tolstoi 
ehrt — für den Ethiker und Denker wünscht man zurzeit keine 
Propaganda zu machen. 
Einen starken Eindruck hinterließ zumal die RevolutionZ- 
feier am 7. November. Auf dem „Rotplatz" vollzog fich 
nach den Ansprachen — für den erkrankten Trotzki war Kameneff 
eingesMmgen -- der Vorbeimarsch der Roten Armee vor den 
dichtgefüllten Tribünen. Es war, als wolle man versuchen, auch 
die Antimilitaristen zum Krieg zu bekehren — wie die Rednerin 
bemerkte. Dann Arbeiterzüge, Sirenenheulen, Flieger, die Prokla- 
Galionen abwarfen, Moskau im Lichterglanz: kurzum, eine höchst 
wirkungsvolle Demonstration. Nachhallender noch eine festliche 
Zusammenkunft in einer Arbeiter - Universität, wo man 
versucht, die fähigsten Köpfe, zumal der Arbeiterjugend, in dreb 
Ns vierjährigen Kursen zu Lehrern heranzubilden. Dies die zu 
künftige Propaganda-Armee für die kommunistischen Ideen. Die 
Darbietungen bei dieser Zusammenkunft galten fast alle revolu 
tionären Ereignissen aus der deutsche n Geschichte, von den 
Bauernkriegen an bis zu den jüngsten Geschehnissen, wie man ja 
überhaupt an deutscher Kultur lebhaftesten Anteil nimmt. Zum 
Schlüsse stimmten die Gruppen der verschiedenen Nationalitäten, 
zunächst getrennt, dann zusammen — und eine jede in ihrer 
Sprache —. die Internationale an. — Die Ausführungen der 
Rednerin wurden mit Beifall bedacht. - i^r. 
Berufsschule für Buch- und kuNsigewerbe. 
s- Den hohen Stand, den die von Direktor Th. Walter ge 
leitete Berufsschule für Buch- un d Kunstgew erbs 
in einzelnen Abteilungen erreicht hat., zeigt die jetzt vWMchMete 
Ausstellung der Sch ü le rarb e ite n an. Die Schule, die 
von ungefähr dreitausend Schülern besucht wird, gliedert ihren 
Unterricht in die Pflichtkurse für die 15- bis 17jährigen Fort- 
bildunospflichtigen, und in die freiwilligen Gesellen- und Meister 
kurse, die' der weiteren Ausbildung dienen. Auch vorbereitende 
Kurse und eigene Abendkurse werden abgehaltem Der Unterrichts 
gang ist so angelegt, daß Lehrlinge in ihm sich viel vollkommener 
heranbilden können/als es die Praxis heute für gewöhnlich zu- 
Ußt. Im übrigen ist d<B System beweglich genug, um von Fall 
zu Fall ein leichtes Eingehen auf Sonderbedürfmsse zu gestatten. 
Die Ausstellung bietet einen Ueberblick über die Gesamtleistung. 
Da sind die Klassen für Buchbinderei (Lehrer Rehbein), die 
sich in den verschiedensten Techniken des BindenZ üben und aus 
gezeichnete Arbeiten aufzuweisen haben. Vorsatzpapiere, Einband 
Schmuck: alles wird in der Schule selber hergestM. Die fertigen 
Bücher werden dann verkauft, und aus dem Erlös neue MMria- 
lien erworben. Auch die anderen Abteilungen verfahren so, und 
tm es an Aufträgen nicht fehlt, kann die Schule fich zum großen , 
Teil ohne städtischen Zuschuß erhalten. Daß sie in geschmacklicher 
Hinsicht einen gewissen Einfluß auf Industrie und Gewerbe aus- 
ZuWsn vermag, beweist der Erfolg der Portefeuille- Arbei 
ten, die, wie es heißt, gerne als Muster verwandt werden sollen. 
In den Buchdruckerkursen (Lehrer Biering) genießt neuer 
dings der Dreifarbendruck Pflege; mit welchem Gelmger^ beweist 
das sorgsam aus geführte Blatt vo n H olbeins „Mann mi t der 
Nelke" Reich gegliedert find die graphischen Kurse» 
Zeichnerisches Studium verbindet sich mit praktischer Uebung, und 
alle typographischen Künste (Lehrer Kühn) werden auf eine gute 
Hohe getrieben Reif werden zur PvMs: das ist auch in der 
Schreiner-Abteilung (LchrweMätte, Lehrer Ziegler) oberster 
Grundsatz. Die Zöglinge arbeiten sich bis M den schwierigsten 
Details durch, und sind sie erst in der Oberstufe angelangt, so 
wird ihnen die Verpflichtung auferlegt, im Laufe des Jahres selber 
ein Werkstück anzufertigen. Die einzelnen Stücke: Schränke, Tische, 
Stühle, Kasten stchen Zur Schau; sie haben ein solides, schreine^ 
gerechtes Aussehen und zeugen von geschmacklichem Simu Neben 
den'Schreinern seien die Wagner und Küfer nicht vergessen. 
Auch eine freiwillige Abteilung für den Karosserie-Bau, 
die sich feit kurzem erst aufgetan hat, legt bereits ihre Proben 
vor. Die gezeigten Arbeiten veranschaulichen den Anstieg und 
WM Freude, tme Ammr mehr Technik MvLchA 
immer mehr die schwierigen Probleme angegriffen und bewältigt 
werden. Damit bei den Schülern der Raumflnn fich entwickle, ist 
ein Kursus in Perspektive (Lehrer Mangold) eingeführt, der 
jedermann Gelegenheit gibt, fich die Darstellungskunst von Innen 
räumen, Straßenfluchtm usw. anzueignen. Erwähnt seien in 
diesem Zusammenhang gleich -die Kurse für Stickerinnen, 
Tapezierer, Dentisten mch Photographen. Man 
fleht überall tüchtige Leistungen, die das Lehrgeschtck der Leiter be 
zeugen. Besondere Begabungen trifft man in der TaMklasse für 
Buch- und Flächenkunst (Lehrer Windisch) an. Linoleum 
schnitte, Silhouetten, Schriften und Plakate werden hier darge- 
Loten, die teilweise über den Durchschnitt weit hinausragem Solche 
Erfolge sind natürlich mit dem Lehrer zu verdanken, der schon die 
Schüler der Unterklasse zu trefflichen Arbeiten anleitet. Auch die 
Tagesklaffe für dekorative Malerei und Kunstge 
werbe (Lehrer Pros. Nebel) zeigt ein recht befriedigendes Niveau» 
Sie treibt PflEzenstudien, me dekorativ ausgewertet werden, übt 
sich im Erfassen der menschlichen Gestalt und zieht Landschaft wie 
Architektur in ihren Bereich. In der Bild Hauer klaffe 
(Lehrer BLumler) wird das Hauptgewicht auf die plastische Ge 
staltung von Ornamenten gelegt, die mehr als figürliche Korw 
Positionen in der Praxis Verwendung finden. Schließlich ein Hin 
weis auf die Vorbereitungskurse, in denen Schüler von 
zehn bis vierzehn Jahren ihre Fähigkeiten entwickeln können. Sie 
erhalten Unterricht in Freihandzeichnen, Zirkeheichnen, Papp- 
arbeiten und Kneten und werden derart schon frühe Wr Ausbildung 
ihrer Gaben angeregt.
	        
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