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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.04/Klebemappe 1924 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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und mystischem Ueberbau, macht sie für europäische Organe nahezu 
undurchdringlich. Am unmittelbarsten fühlte man sich noch be- 
denn, 
muß i denn zum Stabile 
schwächeren Publikum behagliche Räume zumeist. 
In zahllosen Bildern entfaltet sich 
Stelle des stöberen Zwischendecks 
dem wirtschaftlich 
. Die Bedienung - 
, >. en^, 
rührt, als der Vortragende erzählte, daß er sich von dem Berufe 
des Maschineningenieurs zur Christian Science losgerungen habe 
und mit sektiererischem Aktivismus alles Schwergewicht auf die 
sofortige und tätige Wandlung der Gemüter legte. An diesen 
wenigen Stellen treten die Züge hervor, denen die Lehre sicherlich 
ihre Wirkung verdankt. Ar-___ 
Amcrikafahrt drs „Albert Ballin". 
getreten, die 
Christliche Wissenschaft. 
-- Vor einer Zahlreichen Zuhörerschaft entwickelte am Diensraq 
Abend Pros. Hermann S. Hering aus Boston Mckss U. S. A. 
die Hauptzüge der von Mary Baker Eddy gelehrten C hristian 
Scienc e. Die über die ganze Welt zerstreuten Anhänger dieser I 
Lehre, die in den Weisungen ihrer Stifterm eine göttliche Offen-r 
rarung verehren, sind der Ueberzeugung, daß nach dem Vorbilde ! 
Chrisir jeder in ihrem Sinne Gläubige die K r a f L des H e ile ns 
erlangen könne, oder doch zum mindesten selber einer Heilung durch 
frein geistige Mittel zugänglich sei. Die „Begründungen", die dech 
- Redner Lny k^^rtun^ ferner-An^o^en verbrachte, ervue^n sehr ' 
Die KmderwajsstLL. Der Film: „Lang lebe der 
König", der jetzt im Schumann-Theater vorgcführt 
wird, dient dem Triumph Iackie C 0 0 gans, der als Erbprinz 
Titty Bit und zuletz'. gar als kleine königliche Majestät figuriert. 
Ja, es ist wirklich so: ein richtiges Hofleben mit Galawagen, Garde 
reitern, Leutnants, gallonierten Dienern, intrigierenden Gräfinnen, 
Fcstsälen und Empfängen gleitet Zur Freude des republikanischen 
Amerikas und nun auch der unseren herrlich vorbei. Inmitten 
des Gepränges, das sich mit ahnungslosem Ernste entfaltet, von 
einem Adjutanten gefolgt, vom Volke geliebt und als zukünftiger 
Träger der Krone auf unvermeidliche Würde hingewiesen -- in 
mitten des Gepränges tritt Amerikas niedlichster Junge auf, dessen 
Kindlichkeit und Naivität jenen Ernst aä aä8uräum führt Wäre 
der Knirps nur ein Küchenjunge oder sonst eine untergeordnete 
Persönlichkeit — wer wollte da ein Aufhebens von ihm machen? 
! Aber er ist der Mittelpunkt, und die Ehrenkompanie fleht stramm 
und große Herren verneigen sich, wenn er angetrippelt kommt. Das 
gibt die Repräsentation nicht nur der Lächerlichkeit preis, sondern 
schenkt ihr zugleich einen neuen Sinn; gilt doch zuletzt das Zere 
moniell weniger dem Kinde, das König wird, als dem heimlichen 
König im Kinde. Und so erreicht das Stück einen doppelten Zweck: 
es parodiert zur Genugtuung des Republikaners abgeschaffte In 
stitutionen und erfüllt zugleich einen Wunschtraum, den auch das 
republikanische Gemüt noch hegt. Oder wandelt nicht in jeder 
Stoatsverfassung jeder Knabe als Erbprinz Titty Bit daher, 
der sein Inkognito gerne gelüstet wissen möchte? 
Von dem Inhalt sei nur so viel verraten, daß er komische und 
schreckliche Verwirrungen in Menge bringt. SLaatsinteressen drohen 
das Liebesglück der Prinzessin zu zerstören, Verschwörer im Dienste 
des feindlichen Königs wollen sich des Erbprinzen bemächtigen — 
kurzum, das ganze Repertoire einer Monarchie wird abgespielt 
und man lernt Zum mindesten das eine, was auch Titty Bit früh 
schon erfährt und orakelt: daß der Beruf des Königs nicht gerade 
der vergnüglichste ist. Doch am Ende wendet stch alles zum Guten, 
denn nach dem Tode des Großvaters durchschreitet der aus ver 
schiedenen Gefahren errettete Pikkolo-König den KrZMngsscml, 
wird von den Getreuen auf den Zu hohen Thron gehoben und übt 
als erste Regierungshandlung höchsteigen einen Kinderschlaf aus. 
fährt man vorbei nach Kuxhaven, von wo drs 
Klängen des Liedes: „Muß i denn, 
hinaus" seine Ausreise antritt. 
nun das Leben an Bord. An 
ist die dritte Klasse 
ttrver^ deren Ornamente an den Dsckenprofilen von grünem Glas 
unterbrochen sind, durch das wahrend der Vorführungen ein 
matter Lichtschimmer dringt. Die ganz« Einrichtung mitsamt dieser 
LLchteffekte wirkt zwar keineswegs sehr künstlerisch, trügt aber 
wohl den Ansprüchen Rechnung- die das Publikum heute an ein 
großstädtisches Vergnügungsetabussement zu stellen pflegt. T4e 
Besucher der Deutschen Kunstbühne finden ferner im selben Hanse 
nicht nur ein rötlich erstrahlendes Foyer vor, das stch nach Schluß 
der Vorstellung in ein W'e inr e st au ran t verwandelt, sondern 
stoßen auch, von Genuß Zu Genuß fortschreitend, auf die Nischen« 
rntimiM eines Gabarits, dessen Ausstattung offensichtlich 
kunstgewerbliche Aspirationen hegt. 
Was die Szenerien betrifft, so haben sich die Amerikaner leidlich 
aus der Affäre gezogen; die Kürassiere wirken einigermaßen echt 
und auch die Adjutanten sind in Europa studiert. Der kleine Jackie 
ist nicht nur im wörtlichen Sinne die Krone vom Ganzen. Wenn 
der Schelm seine fürstlich-: Tante nachahmt, die immer lst ! 
zu ihm sagt, wenn er düvonläust, um auch einmal das Leben des 
Volkes mitzuleben, Rutschbahn Wrt und so Zerzaust wie zerknirscht 
in dem Pal aste erscheint, wenn er zu mannigfachem Zwecke kunst 
reiche Augenaufschläge produziert — er ist unwiderstehlich, wie, 
wann und wo immer er sich zeigt. Einige Klatschversuche be 
wiesen, daß das Entzücken gar die Leinwand vergessen ließ. 
ULM 
deutlich den spirrLua l i st i s ch - m y st i s ch e n Charakter der 
Sekte. Das materielle Dasein, so etwa führte er aus, sei nur Be- 
wußtseinSvorstelluug, Natur nur ein Zustand des GemüLZ. Daher 
komme auch der Materie weder Substanz noch Leben zu, sie müsse 
vielmehr als ein durchaus Abgeleitetes angesehen werden, abgeleitet 
aus der Wahrheit und dem Geiste Gottes, dem allein Substanz 
und Leben eigen. Wenn man diese richtigen Erkenntnisse vom gött 
lichen Leben fasse, werde man dazu befähigt, es wiederzuspiegeln 
und der göttlichen Liebe teilhaftig, die uns zu heilen vermag. 
Und zwar erkläre sich die Heilung aus dem Einfluß des göttlichen 
Gemüts auf das menschliche — sehr zum Unterschied von der hyp 
notischen Heilung, in der nur Mensch auf den Menschen wirke. Die 
göttliche Liebe rufe in dem ihr Anhangenden eine Wandlung des 
Bewußtseins hervor, der die Materie als das Sekundäre und Be 
dingte notwendig Folge leisten müsse 
Dem rein gnostisch gefärbten Spiritualismus, der, anders ein- 
geÜeidet, schon in Indien auftaucht, mit philosophischen Ein- 
wänden Zu begegnen, hieße seinen eigentlichen Sinn verfehlen. 
Er ist weniger philosophische Doktrin denn praktische 
Seele ntechnik und mag als solche bei Gläubigen wohl Er 
folge zu verzeichnen haben. Die angelsächsisch-amerikanische Aus 
prägung der Lehre, dieses ganze Gemenge aus zivilisatorischem 
Optimismus und religiöser Haltung, aus platten Vulgärerkenut- 
nissen und stimmenden Bibelzitatsu, aus moralischer Forderung 
Aus Nm früheren KrPallpaLafd Mr E ferner FKOkuppel 
und den Wfrankfuuter Eintzauten recht primitiv wirkte, ist in der 
knappen Zeit von vier Monaten die „D e utsch^ K u n stbüh - i 
n e" hervorgHWN'gem Architekt Böcher hatte bei dem Umbau 
eine Fülle te^nisch-er Schwierigkeiten Zu überwmden. indessen 
süw die'Notausg^ so günstig angeordnet, daß die Baupolizei 
ohne Anstand die erforderlichen Dispense erteilte. .Von der V 0 r- 
Halle Es, die ganz narr hergerichtet ist, 'gelangt mau von den 
Garderoben und an einem farbig dekorierten E r f r i s H u n g s- 
ro vorbei in den Z us ch an e rr auw, der 1200 Plätze 
fasft Dm weit ausladende Galerie, die unbekümmert um die 
nicht anZZUmerZenden Mittelpfeller den ganzen Raum durchzieht, 
läßt Ke asymmetrische Anlage ein wenig verMen. Wohin mun 
uurSM, entfaltet sich die etwas überladen« Pracht der Stukka- j 
--- Die Hamburg-Amerika-Linie hatte am Sonntag 
M einer Filmvorführung geladen, die ihrem neuen Zweischrauben- 
Turbinendampfer „A lbert Ballt n" galt. Direktor Suttcr 
pries in seinen einleitenden Worten das Pionierlum der deutschen. 
Schiffahrtslinien, die nach dem Kriege unverzagt ihr Werk von 
neuem ausgenommen hätten, und sprach die Hoffnung aus, daß die 
wieder erstehende deutsche Seeschiffahrt der Verständigung zwischen 
den Völkern dienen möge. — Der erläuternde Vortrag des Hapag- 
Vertreters gab zunächst einen Ueberblick über die Entwicklung der 
Hamburg-Amerika-Linie, die vor dem Kriege zur größten der Welt 
herangewachsen war. Ihren gewaltigen Aufstieg verdankte sie dem 
Genie Albert Ballin §, der als Organisator, Finanzmann und 
Schiffahrtspolitiker gleich Hervorragendes leistete. Durch Aus 
nutzung der von ihm angeknüpften Beziehungen gelang der Abschluß 
des Harrimatt-Abkommens, das jetzt den Gemeinschaft der 
deutschen Schiffe mit den amerikanischen ermöglicht. Das Schiff, 
das den Namen Ballins trägt, ist erst seit kurzem für die 
New Dorker Strecke eingestellt. Es hat 22 000 Brutto-Raum-Tonnen. 
und gewährt 1500 Passagieren Unterkunft. Besondere Bequemlich 
keit bietet es durch die reinliche Oelfeuerung und die An 
bringung sogenannter form stabil er Tanks, die jede 
Schling erbewegung aufheben. Der Elektrizität ist eine Fülle von 
Arbeit Angewiesen,- und die Einrichtung drahtloser Telegraphie und 
Telephon!e hält die Verbindung mit anderen Fahrzeugen und den 
Kontinenten ununterbrochen aufrecht. 
Der Film gestattet es auch der ausgemachten Landratte, die 
Seereise von Anfang bis zu Ende mitzuerleben. Man lernt den 
Hamburger Hafen in allen Einzelheiten kennen: seine 
Riesenkrane, Werften, Hellinge, Schwimmdocks. An Blankenesc < 
! erfolgt durch Stewards, und DamenZimmer, Rauchzimmer, Bäder,! 
stehen zur Verfügung. Für Unterhaltung während der zehntägigen 
> Fahrt ist hinreichend gesorgt. Die Kinder spielen Sacklaufen oder 
' ergötzen sich am Kasperle-Theater und die Männer Pflegen ihres 
Skats. Auch über die Verpflegung wird stch so leicht niemand zu 
beklagen haben. Die Ausstattung der ersten Klasse ist vornehm 
und geschmackvoll, ohne in überflüssigen Luxus auszuarten. Eine 
besondere Anziehungskraft übt ersichtlich die kleine Kaffee-Veranda 
' aus, die Platz genug für tanzlustige Paare bietet. Außer dein Kino, 
das von Deck Zu Deck wandert, sei noch die „Kunstmesse" erwähnt, 
eine dauernde Verkaufsausstellung deutscher Qualitätsarbeit auf 
dem Gebiet des Kunstgewerbes. Wegen seiner Bevorzugung durch 
reisende Künstler wird der Dampfer auch wohl das „Künstlerschiff" 
genannt Die Aufnahmen aus New Aork verschaffen eine gute 
Vorstellung von den Wolkenkratzer-Schluchten der Riesenstadt:' sie 
halten Zumal die nächtliche Lichtreklame M. deren ekstatische Aus 
schweifungen in jeder nur erdenklichen Höhe das Gehirn auf phan 
tastisch-barbarische Weise betäuben. Der Eindruck, den diese gigan 
tischen Dimensionen hinterlassen, ist nicht zu verleugnen, doch kehrt 
man, gepeinigt von ihnen, mit dem „Ballin" gerne nach dem alten 
kleinen Kontinent Zurück. n.
	        
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