LOLULirSLH
sriedigen
gebärdet
ohne
täuscht
^Rudolf Schildkraut im Film.Z Er ist ein nach Amerika
ausgewanderter Ghettojude, der seinen Verkaufsstand im NewAorker
Judenviertel hat. Er hat einen guten Sohn und einen Lösen.
Diesen, der ein Streber ist und ihn verleugnet, liebt er mit blinder
Vaterliebe; jenem, der Zeitungen verkauft und Boxkämpfe aus-
ficht, um die Eltern zu unterstützen, weist er das Haus. Sehr
einfach, ein Reißer mit Rührszenen, die Amerikaner mögen das.
Auch der gute Ausgang ist garantiert. Im letzten Augenblick ent
deckt das Strebersöhnchen sein besseres Ich, und den Boxer, einen
entzückenden Jungen übrigens, bittet der Vater um Verzeihung
Er entdeckt, daß nicht das Studium allein selig macht, sondern
auch der Boxsport. Die Amerikaner mögen das. Man hat als
ein auf Tragik geaichter Europäer das verbriefte Recht, ihre Primi
tivität zu schelten und ihre Filme sentimental zu heißen. Sie
sind es, in der Tat. Aber die Tragik bei uns ist dafür nicht selten
senil; von dem Seelenleben zu schweigen.
*
Schildkraut ist der Vater mit dem Patriarchenbari aus dem
und die Göttinnen ver ¬
sprechen ihm nichts weiter
mehr als sich selber. Dafür
ist auch der Apfel nicht aus
Gold. — Der Weihnachts
baum ist ein besonders
dankbares Kitschmotiv. Er
wird Zur leeren Schablone,
wenn man ein gesellschaft
liches Ereignis aus ihm
macht, zu einer Dekoration,
die gerade gut genug zum
Photographieren ist. Sie ist
kitschig, weil sie nicht Ge
fühle vermittelt, sondern
lediglich ihren Schein. —
Wundersam ist auch der
Nixenhaufen, der sich aus
Wagner und Böcklin in den
Film: „Wenn, wir Frauen
träumen" verirrt hat. Viele
Männer mögen sich solchen
Massenkonsum erträumen:
nun haben sie ihn im Bild,
mit Poseidon und Tritonen
obendrein.Die mmhologiscke
Aufmachung soll die Begier
den adeln, deren schlecht
sitzendes Gewand sie ist.
Würdigt der Kitsch auf der
einen Seite das Wirkliche
zur Nichtigkeit herab, so
sucht er auf der anderen dem
Nichts die Würde der Wirk
lichkeit zu verleihen. Ein
Filmball wird dargestellt:
man glaubt den Sekt in den
Gläsern, vermutet Gespräche,
die das Lächeln der Herren
und Damen begründen.
Doch der Sekt prickelt so
wenig wie die Gespräche, es
ist alles Fassade, wie die
Hemdbrüste und Spitzen.
Das Hohle gebärdet sich als
ein Etwas und ist auch
vielleicht etwas, wenn man
um seine Hohlheit weiß.
kr.
ihn zu durchschauen. Es ist
nicht schwer und jedenfalls
lohnend. Hat man ihm erst
die Larve abgerissen und
die Stelzen unter den Bei
ner; entfernt, so steht er da
als das, was er eigentlich
ist: als blanker Kitsch, der
nach der Demaskierung ein
durchaus rechtmäßiges Da
sein führt, unter Umstän
den vergnüglich ist und das
gute Gewissen für sich in
Anspruch nehmen darf.
Der Edelkitsch auf unse
ren Bildern enthüllt sich
ohne Schwierigkeit, wenn
man die Darstellungen ihres
Ernstes beraubt. Unbezahl
bar ist die Szene von der
Wiener Modeschau: eine
Kombination von Mannes
guin, Betten und Linie -
rendem Publikum. Während
die Besucher ihren Reh
rücken essen. Zieht sich das
Mädchen aus; beim Dessert
legt sie sich ins Bett. Alles
wegen der Steppdecke und
der Dessous. Das Orchester
im Hintergrund begleitet
die lüsternen Gefühle im
Vordergrund. Kitschig ist
die ungehemmte Vermen-
gung der verschiedensten
Interessen, die Schaustel
lung eines Schlafzimmer
Fragments inmitten der
Tafelfreuden zu geschäft-
lrchen Zwecken.
Gerne vergreift sich der
Kitsch an den großen Ge
halten, die aber dadurch,
daß sie ihm verfallen, im
merhin aufbewahrt bleiben.
Paris ist auf den Hund
gekommen, indem er in der
Revue wieder aufersteht,
eele zu haben, und
Schicksale vor, die
keine und. Er ist ein Surro
gat, dem die Unbekümmert
neil des offenbaren Kitsches
bei weitem vorgezogen zu
werden verdient.
Da er sich durch Dekrete
nicht abschassen läßt, wird
nrarr sich bemühen müßen.
Dieser Edelkitsch
sich seelenhaN,
Der Schildkraut-Film: „Seine Söhne" läuft Zur Zeit in
mehreren Frankfurter Lichtspielbühnen (Hohenzollern-,
Scala- und Hansatheater). __ raca.
— Lindenfels (im Odenwald). Der vielbesuchte Ort liegt in
mitten des Odenwalds, Zu dessen schönsten Sommerfrischen er gehört.
Von der Schnellzugsstation Bensheim aus — einem der Haupt
punkte der Bergstraße, mit guten Unterkünften und angenehmen
Spaziergänger; — fährt das Postauto in einer knappen Stunde nach '
Lindenfels hinan. Schon von weitem erblickt man die Burg mit
dem Städtchen: ein altertümlicher in sich geschlossener Architektur
komplex, der sich organisch in die Landschaft fügt, die er krönt. Für
die Autofahrer wie die Touristen ist hier gleicherweise gesorgt. Jene ,
haben auskömmliche Chausseen zur Verfügung, die nach allen Sei
ten sich verzweigen. Diese brauchen unter der Unzahl der kleineren
und größeren Ausflüge nur zu wählen; auch als Standquartier für
zwei- oder dreitägige Exkursionen kommt Lindenfels in Betracht.
Wer der Ruhe pflegen will, mag sich an der Aussicht ergötzen, die
ein weites Hügelrund umfaßt. An einfachen und besseren Gast
höfen ist kein Mangel. Auch zum Tanzen findet sich Gelegenheit.
gen sind von den Vätern vererbt, die es wieder von ihren Vätern
haben. Das Wörterbuch dieser Gebärdensprache ist umstrngreicher '
als das Grimmsche. Er hat große Szenen im Film. In einem
Trödelladen will er seinen Pelzmantel verkaufen, ein Inventar
stück aus biblischen Zeiten; damit der geliebte Sprößling Zu Geld
kommt. Für 10 Dollars nur? Sein Blick wird starr, er zieht den
Mantel an. Vom Trödler zurückgehalten, legt er den Mantel
wieder ab. 15 Dollar? Er zieht den Mantel an. Dreimal an
«nd kmuer KaHos^ -lÄeK M er doch be ¬
trogen. Dann geht er durch das Schneegestöber heim. Das heißt,
er geht nicht, er schleicht mit ängstlich auseinandergespreizten
Beinen, und schlägt zu Boden, uralt; ein Martyrium. Dann
kommt der kranke Patriarch unerwartet zur Hochzeit seines Sohnes,
erscheint wie Bankos Geist — ein Shakespeare ist der Filmdichter
nicht — vor der Tafelrunde, New Uork, 5th Avenue, und der
Sohn, dieser Schlingel, behauptet ihm ins Angesicht hinein, keinen
Vater nicht zu haben. Er ist sehr still, geradezu höflich, lächelt
mit dem Mund und verläßt den Raum. Weiß der Himmel, der
Raum erstarrt, wie er, ganz Rücken nur, hinausstapft.
Die Regie hat gut gearbeitet. Die Straßenszenen mit den
vielen Kindern und den Hochbahnen dahinter machen sich echt.
An einer endlosenMauer klebt ein Balkönchen, einsam und ver
schollen. ein lyrisches Gedicht. Der Schnee ist aus Schnee. Das
Boxer-Meeting spielt in einer vollbesetzten, ungeheuren Halle, die
Bildausschnitte summieren sich im Flug aus Großaufnahmen,
Publikum und Gesamtaspekten. Eine Konferenz von Sportgrößen
hat die würdige Miene, die ihr zusteht, gewichtiger als ein Minister
rat. Das Milieu rund herum ist von dem Geist des Judentums
erfüllt, ja, sogar für die Versöhnung der Konfessionen haben die
Veranstalter gesorgt.
Die Gebildeten entrüsten
sick imnun noch viel zu seln
über dorr Kitsch, ^ie sollten
es nur mit Vorbehalt tun.
Jeder Mensch hat den Hana
zum Kirsch, ob er ihn ein-
gestebt oder nicht: jeder
Mensch das Recht aus ihn.
Man kann nicht stets mir
den; vollen Einsatz seiner
brüste leben und zudem:
der Kitsch drückt, wie bar
barisch immer, die primi
tiven sinnlichen und geim
perl Wünsche des Menschen
unverstellt aus. Wer wäre
nicht als Bub über den
Edelmut Winnetous be
glückt gewesen, wer hätte
sich nicht willig-unwillig
von der Süßigkeit eines
Speretteuschsagers sangen
lassen, die wie die 2utsch-
nange der Jahrmärkte
schmeckte?
Bedenklich wird der Kitsch
nur, wenn er sich künstle
risch gibt. Er erweckt dann
bei der unkritischen Menge
den Anschein, als könne er
die höheren Bedürfnisse be-