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Object: H:Kracauer, Siegfried/01.05/Klebemappe 1926 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

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I ^8"), 2-2 - K-cr 
Groteske mit drei schvecklich dicken Männern. 
racn. 
rolle spielt. 
ruoa. 
Die Lebenserinnerungen von Wer-a Fign^r. 
Die Lebenserinnernngen der Wera Frgner sind unter 
dem Titel: „Nacht über Rußland" in deutscher Sprache 
erschienen (Malik-Verlag, Berlin). Was in ihnen erzählt 
wird, ist die Vorgeschichte der russischen Revo 
lution. Nicht eine gewöhnliche Augenzeugin berichtet hier, 
sondern eine der handelnden Personen selber. Sie hat m 
jenem VollZugs-Komitee gesessen, dessen Terror-Akte Europa 
mit Schrecken (und Jubel) erfüllten und das zaristische System 
langsam Zermürbten. Sie hat Hunderte Male ihr Leben für 
die Sache aufs Spiel gesetzt, die ihr das Leben war. Sie hat 
zwanzig Jahre in der berüchtigten Schlüsselburg, der russischen 
Bastille, überdauert, ohne auch nur einen Augenblick in 
Schwäche ZurückZusmken. 
Hatte ein Dichter dieses Leben gestaltet, so wäre es fein 
Bemühen gewesen, die Wirklichkeit eines solchen Schicksals 
glaubhaft zu machen. Er hätte zu erschüttern, mitzureißen ge 
sucht. Die Sprache der Figner ist ohne jede Verführungs 
kunst; eine normale, nahezu unbeteiligte Sprache, die der 
PrivatheiL enträt und die Erfahrungen des Innenlebens 
nüchtern als Tatsachen verzeichnet. Ein erfundenes Leben 
würde s o sich nicht darstellen. Das wirkliche darf und muß 
es. In die Geheimsprache des Buches gebannt, steigt es 
nach ihrer Dechifftierung groß und furchtbar auf. 
„Große Entschlüsse muß jeder Mensch für sich selbst fassen«: 
diese Erkenntnis der Mädchenjahre hat Wera Figner durch! 
ihr ganzes Leben bewährt. Sie heiratet früh und läßt sich früh' 
scheiden, nachdem sie sich in den Züricher Studienjahren zur 
Laufbahn der Berufsrevolutionärin entschlossen h-at. „Von 
meinem 24. Jahre an war mein Leben ausschließlich mit den 
Geschicken der russischen revolutionären Partei verbunden«. 
Persönliche Episoden fehlen fortan, die Erinnerungen werden 
zum Bericht über die revolutionären Organisationen, ihre 
Mitglieder, ihre Geschicke. (Selten wird der Mutter in Liebe 
gedacht, finden die ebenfalls revolutionär tätigen Schwestern 
Erwähnung.) Als Milglied der geheimen Gesellschaft „Land 
und Freiheit" leistet die Figner den Bauen: im Gouvernement 
Samara ärztliche Hilfe und trägt zugleich, dem damaligen 
Stand der Bewegung gemäß, die unsstürzlerischen Ideen aufs 
Land. Verfolaunqen und Denunziationen setzen ein, sie wer 
den zur Regel. In einem Teil der Führer beseitigt sich die 
Hinsicht, daß nur der politische Terror, der „Schlag in das 
— Ein amerikanischer Lustspielschlager. Die Hieb erbau- 
Lichtspiele zeigen den Film: „In New Uork ist wos 
los", in dem alle beliebten Possenmmivc losgelaisen sind. Ein 
junger Mann, den Reainald Dewsy Als den sympathischsten 
aller. jnL?rndlicheu BabLits verkörpert, wird vor die unmögliche 
Aufgabe gestellt, an einem Abend ins LanzpalaLs auszuWren: 
1. eine Wiche K.stiae Witwe, der ein UniverfitatsstipeMum em« 
lockt werden soll;' 2. die Frau seines Zimmernachbarn; 5. das 
Mädchen, dem er sich gern erklären moch-e. Jede der drei Per 
sonen verlangt und glaubt, daß er ihr sich allein widme. Wie er 
die Aufgabe löst, sei nicht verraten; genug, daß das Telephon 
eine entscheidende Rolle spielt. Ein Eklat reiht sich an den 
anderen; das Ende ist wie gewünscht- Der Motive und Einfalle 
sind zu viele, sie schlagen sich mitunter tot, statt sich*zu unterstützen. 
Dennoch enthält das Stück höchst erheiternde Partien. Um die 
Witwe schnell abzuwachen, Zeigt ihr der Jüngling im Fluozeug 
die Stadt. Eine frivole Junggesellenwirtschaft Mit Alkohol 
spukt auch Herein. — Voran geht eine komische amerikanische 
— Der MitLernachLsexpreß. Dieser fabelhaft spannende Mm, 
der in den N a t i o n a l t h e a t e r n — Hohenzollern- und Skala 
Lichtbühne — läuft, bringt , eine aufregende Geschichte aus dem 
Eis-enLahnUben, mit einem Verbrecherleben kombiniert. Der Sohn 
des EisenbahnpräsidenLen erweist sich als Feigling wird verstoßen 
und beginnt in den Lokomotivenwerkstätten als einfacher Arbeiter 
eine neue Eristenz. Dazwischen donnern die ExpreßZüge, in dem 
Salonwagen "fährt der Präsident, über die Paschshe raien sie in 
amerikanischem Tempo hin. Der Sohn verliebt sich in die Tochter 
eines schlichten Lokomotivführers, der übrigens eine .sehr schone 
Wohnung bat, und wird von Lag,zu Lag mutiger. Er- bringt sogar 
den Verbrecher zur Strecke, der ibm Rache schwört. Schkieizüch 
wird er Babnassistent an der gefährlichen Paßsirecke. Damit ist der 
Knoten geschurrt. An dieser Bahnstrecke trifft nämlich das ganze 
Personal des Stückes zusammen: der Präsident, der Lokomotivn^ 
mit Tochter und der Verbrecher. Eine Situation entsteht, dre für 
sämtliche Beteiligten höchst gefährlich ist, und der junge r ann hat 
alle Hände voll Zu tun. um sich Zu verteidigen und^-dre andern Zu 
r-etten. Die Szenen sind sehr ausragend und ein Glück ist nur. dan 
man die Gewißheit des guten Endes in sich trägt. Die Gemras- 
aumahmen sind wundervoll, die Lokomotiven kiv8t elnss, die Ereig 
nisse sensationell. — Ein ausgezeichneter Buster Keaton- 
Film: „S ei nes Glückes S ch m i ed" geht voran.. -Buster d 
giert als Schmied und steht wieder mit seinem todernsten,Gesicht in 
einem irrsinnigen Mißverhältnis zu den Sachen und Personen. 
Einem Pferd probiert er elegante Rufe an wie ein Verkäufer in 
einem Schubg schüft. Die Hufe werden mit -arten Bündchen an den 
Beinen befestigt, ein Spiegel wird vorgehalten, und Buster und das 
Pferd betrachten wohlgefällig die gelungene Veschühung. — Außer 
schönen Landschaftsaufnahmen enthält das Programm noch eine 
Groteske, in der Suooky, ein äußerst gebildeter Asse, die Haupt 
— t„Dte Villa im Tiergarten.Dieser in Frankfurt 
letzt vorgeführte Berliner Gesellschaftssilm ist nach einem Rmnan 
von Arthur Landsberger gedreht; was schon genug besaat. Man 
weiter zu ihm bemerken, wäre nicht die Moral der 
Geschichte so interessant. Sie ist auf verzwickte Weife verlogen 
Ein vermögender Herr bewohnt mit seinen F-eunden eine Villa 
nu vergärten; man ist ein bißchen leichtlebig, aber keineswegs 
unMmP-thM. Roch ;m -oMchar freilich, ist der Berbreck« draußen 
in Berlin dl., der auf die anständigste Art von der Welt nachts 
einbricht. Denn warum bricht er ein? Weil er Unterhalt verschaf 
fen muß, damit seine Freundin nichts -u verdienen braucht, rnan 
weiß schon, wie. Sie ist ebenfalls ein sehr sympathisches Mädchen 
(Eged-e Nissen). Also auch in der TiergartLumLa hott -c sich seine 
Beute. Er wird verhaftet, er entflieht und starret am Weihnachts 
abend der Villa einen offiziellen Besuch ab, da er sich in der Höhle 
der Gesellschaftslöwen am sichersten fühlt. Erste moralische Situa 
tion: die Herren im Smoki w sind äußern nett gegen ihn und 
wollen ihm dazu verhelfen, sich vor der Polizei Zu drücken und 
seinen früheren Privatberuf als Boxer wieder aufzunehmen. Sind 
sie nicht wirklich edel, die Herren? Handeln sie nicht unabhängig 
von Stand und Besitz? Wer sie spielen das Spiel ohne die Freun 
din, die von dem Verbrecher (wenn man ihn so nennen 
da-ck) in die V'lla mitgenommen worden ist. Willigte sie 
in den Plan ein, so herrschte eins Harmonie zwi'chen 
Tiergarten und Berlin N auf Kosten der gesellschaftlichen Ordnung. 
Sie willigt nicht ein. Zweite moralische Situation: das Mädchen 
telephoniert an die Polizei, damit der Freund seine Tat sühne uns 
später in Ruhe seiner Freiheit teilhaftig werden könne. Die Kris 
minaler erscheinen, der Verbrecher umarmt das Mädchen verstehend 
und läßt sich abführen. Fazit: das Mädchen aus Berlin N wird 
Zur Verfechterin des Gesetzes, das dem Schutze des Eigentums 
dient. Die Eigentümer selber hätten es aus Mitleid gerne um 
gangen, aber was können sie machen, wenn das Mädchen nicht will? 
So wunderbar ist, zum mindesten in der unschönen Phantasie des 
Herrn Landsberger und des Filmregisseurs, die Gesellschaft einge^ 
richtet, daß die Tiergartenvillen-Bewohner sich ungestraft den Luxus 
des Edelmuts leisten dürfen, weil sie durch das Rechtsempfinden 
der Existenzen in Berlin N. ja schon eh verteidigt werden. Zwar 
trifft die Sache in Wirklichkeit nicht ganz zu (erste Verlogenheit), 
aber es wäre den Tiergartenleuten vielleicht nicht unangenehm, 
wenn es sich mit dem Rechtsempfinden der I^-Leute tatsächlich ss 
verhielte (zweite Verlogenheit). Rein technisch ist der Film ganz 
geschickt arrangiert. Soziologisch Interessierte mögen ihn aufsuchen. 
raea. 
--- lMn Dreiwettenpttger.j R u d ol f L o thar hat mit 
dem „Peer Gynt« eine Mitte'meerreise gemacht und seine Ein- 
drucke in dem Buch: „Z w i s ch m dreiW « Iten. Pilgerfahr 
eines Gläubigen« (Drei Masken Verlag, München) niedergelegt. 
Vor allem die Frauen können mit den liebenswürdigen Plau 
dereien zufrieden fein. Denn was ist das Ergebnis der Fahrt? 
Daß im Laufe der Geschichte nur eines unwandelbar bleibe- die 
Schönheit der Frau. Lothar kennt sich auf diesem Gebiet inter 
national aus. er stellt fest, daß die Göttin Demeter schon den 
Bublkopx trug und auch reizende Türkinnen hinter B m'schastern 
Leretts dieser durch ihr Alter geheiligten Frisur sich bedienen. Auf 
dre Italiener laßt Lothar trotz Mussolini nichts kommen. In 
Verona hat er zu Beginn der Reise beim Geldwechseln einen 
Haufen von Lire-Scheincn eingebüht, deren Verlust ihn schmerzt. 
Ruckreise spricht er ohne Hoffnung bei dem Wirt vor, 
durch den er sich benachteiligt glaubte. Strahlend eilt ihm der 
Restaurateur entgegen: „Warum haben Sie nicht ees^rieben? 
Warum.haben -Sie uns in pnuewMeit über den "Bescher dieser 
450 Lrre gelassen? Hier ist Ihr Geld!« Ueberall zwischen Kon- 
Mntmopel und Shepheards Hotelterraffe in Kairo findet sich der 
Drciweltenpilgcr durch seine Gläubigkeit an die göttliche Sendung 
der Heiterkeit belohnt. Er ist im übrigen ein guter Beobachter, 
der die Oberfläche genau aufnimmt und sie nicht selten durchbricht; 
am wenigsten in den hie und da eingeslochtcnen allg-meinen Be 
trachtungen, die manchmal ein wenig trivial sind. Lesenswert seine 
Auf-eickmung-n über Palästina, die nicht nur der Bubiköpfe 
in Let Awiw, der „ersten jüdischen Weltstadt«, Erwähnung tun. — 
Dem Buch sind sechzig schöne Bilder nach Photographien des Ver 
fassers beigegeben. Ik-,
	        
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