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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.06/Klebemappe 1927 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

ein. Ein Zusammenstoß zwischen der sich erhebenden Masse und den 
regulären Truppen wirkt als dokumentarische Bildreportage Die 
Darstellung eines bürgerlichen Haushalts hat symbolische Krast. 
Eine Landstraße scheint durch ganz Sibirien zu laufen. Mit dem 
von dem, Potemkin-Fi'm her bekannten Geschick sind die Typen 
ausgewer et und die Massen»rrangemrntS getroffen. Sie zeigen 
naturalistische Treue, die ihre Berechtigung hat, weil die wider- 
gespiegelte Wirklichkeit in diesem Falle wirklich ist. kaea. 
— Das rosa Pantöffelchen. Ein ganz netter Film, den die 
Lkala-Lichtspiele zeigen. Das alte Filmthema: ein Back 
fisch, der eine Komtesse ist und vor Uebermut platzt, verliebt sich i 
in einen jungen Mann, den sie für einen Forstassessor Wl. Er ist , 
Serne Durchlaucht höchstpersönlich. Enthüllung erst im letzten 
Augenblick. Darob Scham der Komtesse und Verlobungskuß. Die 
Lypsn: strenge Eltern, ein gutmütiger Onkel und dämliche Mi- 
mster, deren Trottelhaftigkeit dem selbstbewußten Bürger Genug 
tuung bereuet. Das alles ist von der Mansarde geholt. Aber die 
Herkunft liegt so auf der Hand, daß man sich ihretwegen nicht 
erregen muß. Im übrigen ist Hanni Rein Wald ein lieber 
blonder Backfisch, der viel Randal macht. Auch die anderen Figuren 
! nötigen öfters zum Lachen, teils weil man sie kennt, teils weil sie 
i komisch sind. — In dem Beiprogramm spielt Monty Banks sich 
! und zug.mch einen falschen Monty, die beide sich heftig be- 
Literarische Welt G. m. ö. K. 
Die Umwandlung der Litterarischeir Welt in eine G. m. b. H., 
hat eine programmatische Erklärung in der letzten Märznummer 
verursacht. Diese Erklärung allein schon mutet wie eine G- m. 
b. H. von Motiven und Perspektiven an. 
Der Herausgeber kündigt an: 
„Mehr als bisher werden wir die positiven Wissenschaften, 
namentlich die soziologischen und psychologischen, in unsere Be 
trachtung einbeziehen müssen." 
— in einer Darstellung, die auch dem Laien ohne weiteres 
zugänglich ist." 
„Allerdings ohne jede Konzession an eine gewisse verflachende 
Popularisierung." 
„Nicht weiterbestehen darf der Geist der hochmütigen Ablehnung 
Zeit und der Geist der leeren Opposition...". 
! „ Wer dürfte angesichts dieser Zeit, angesichts dieser Gesell- j 
! schaft grundsätzlich auf Opposition, auf Kritik, und zwar auf 
schärfste Kritik verzichten?" 
O 
? „Müssen wir nicht die Jugend — vor einer wirklichkeits- 
! flüchtigen, scheinidealistischen Philosophiererei und Politisiererei 
^bewahren, die hinter dem Glanz der Worte das Programm der 
historischen und sozialen Rückwärtsbewegung verbirgt?" 
Sondernummern sollen das geistige und dichterische Leben 
der deutschen Landschaften und Provinzen in geschlossenen Bildern 
! darstellen." 
O 
„Der luftleere- Raum, den die Literaten um den ganzen Bereich 
der modernen Dichtung gelegt haben und der das Volk und die 
Gesellschaft allmählich ganz von dieser Dichtung ab schneidet, darf 
nicht weiter bestehen bleibend — — Die „Literarische Welt" will 
! ihn ausfüllen: ' 
„In größerem Umfang als bisher werden die Dichter selbst, 
namentlich die Erzähler, in Novellen und sdort stOries; zu 
Worte kommen." (Aha, Uhu, Oho! Die Red.) 
„Kurz gesagt: Wir wollen auf einem breiteren und fruchtbareren 
Boden stehn, als es die bloße ,Literatur' ist." 
* 
Ein breiter und fruchtbarer, hoffentlich auch ein fruchtbringender 
Boden... 
0 l 
Die Bräutigame der Ballette Bowllerling. Dieser in den 
B i e b e rbau - Lichts p i el en vorgesührte Film ist nach 
einem humoristischen Roman der Alice Verend gedreht. Sein 
Inhalt: Das Töchterchen eines neureichen Ehepaares soll ver 
heiratet werden. Der Mutter ist das Geld in den Kopf gestiegen, 
und sie möchte am liebsten einen Grafen oder Herzog kaufen. Alle 
möglichen komischen Bräutigame präsentieren sich, zum Teil aus 
freien Stücken, zum Teil von der Heiratsvermittlerin geschickt. 
Zugleich fällt ein Schlaglicht auf die gesellschaftliche Libertinage; 
einer der Bräutigame hat ein Verhältnis mit einer Kokotte, die er 
als die Schwester seines Freundes ausgillt, mit dem sie auch gehen 
wird. Zuletzt kommt die Verlobung mit einem jungen Vetter zu 
stande, der die ganze Zeit über im Hause des Ehepaars gewohnt 
hat und seine Kusine wirklich liebt. Warum in die Ferne schweifen, 
sieh, das Gute usw. Gespielt wird vortrefflich, das Stück enthält 
aber auch lauter typische Rollen, die heute nur so flutschen. 
Wundervoll ist die Mutter, eine komische Alte von heutzutage. 
Hanni Meiste ein Dirnchen, wie sie in den Romanen steht, 
Xenia Desni ein Backfisch aus den Illustrierten, in denen alles 
echter ist als in der Wirklichkeit. Der neuerdings viel herauZ- 
gestellte Livio Pavanelli ist kein so charmanter Bonvivant, 
wie die Regisseure offenbar glauben. Durch sein sympathisches 
Jünglingswesen zeichnet sich Walter Rilla aus. Als Hoch 
stapler, der seinen Beruf ein wenig aufdringlich betont, macht 
Bruno Kastner eine angenehme Figur. Im übrigen hält sich 
der Film wohl zu eng an das Buch. Immer wieder werden 
Bräutigame gesucht —'in der Sprache ist das Thema vermutlich 
mehr variiert als auf der Leinwand. Manche Episoden sind lustig. 
— Der beigegebene amerikanische Grotesskfilm: „Der rote 
Pirat" ist originell. Er scheint so etwas wie eine Satire auf 
Douglas Fairbanks zu sein und verrat Spuren von romantischer 
Ironie. In dem absurden Handlungsverlauf sind einige nette 
Tricks angebracht. kaca. 
Kinderseelen klagen euch an! Unter diesem etwas pathe 
tischen Titel läuft in der Neuen Lichtbühne und in den 
^ammerlichtspielen ein Film, der mit dem Kampf um den 
bekannten Paragraphen 218 in Verbindung gebracht wird, ohne sich 
aber anders als höchst mittelbar auf ihn zu beziehen. Wenn man 
ihm eine Tendenz unterschieben will, was nicht unbedingt erforder 
lich ist, so ist es die gegen die Abtreibung. Dieses Kapitel ist in 
dessen zu weitläufig, um im Rahmen einer Filnckriük auch nur 
andeutend erörtert zu wecken. Genug, daß der nach einer Er 
zählung Paul Kellers gedrehte Film einen Kommerzienrat vor- 
führt, der seine Fabriken ungeteilt weitergeben will und darum 
seiner Frau nur einen einzigen Sohn gestattet. Der Sohn hat eine 
Beziehung zu einem Mädchen angeknüpst, das ein Kind von ihm 
erwartet. Der Kommerzienrat möchte weder das Mädchen noch 
das Kind. An diesem Kinderfeind vollzieht sich dann folgerichtig 
das Geschick. Der Sohn fällt im Krieg, die Frau stirbt, und nun 
ist er ganz allein. Zum Schluß muß er als gebrochener alter Mann 
das aus dem Haus gewiesene Mädchen aufiuchen und von ihm das 
Enkelchen erbetteln. Albert Steinrück* spielt den Kommerzien- 
rat Er ist ein unerhörter Darsteller herrischer alter Männer, und 
die Gewalt seiner Person tagt das Stück, das man sich um seinet 
willen ansehen sollte. Das Mädchen wird von Elaire Rommer 
nett verkörpert. Auch Walter Rilla und Bruno Ziener gehören 
zum Ensemble, das ein gutes Niveau innehält. Die Regie hat 
sorgfältig gearbeitet und manche Szenen auf einen feinen Kammer, 
spielton gestimmt. K-Lca. 
— Die Hschstaplerm. Der in den Al e ma n n ia-Li ch L -! 
spielen gezeigte Film ist nach einem Roman von Hans Land 
gedreht, liebliche Unterhaltungslektüre, die ein paar nette Film 
motive in weite Bezirke unfruchtbaren OeAands einstreut. Ruth 
Weyher stattet die Hochstaplerin mit dem etwas kitschigen Glanz 
aus, der ihr zukommt. Als ihre Helfershelfer treten Anton Point- 
n e r und Philipp Mann ing aus, zwei gute Typen, denen man 
das Falschspiel auf den Kopf zusagen kann. Die Bande macht sich 
an einen Professor heran, eine Kapazität auf dem Gebiet der Ge 
richtsmedizin, der Theodor Loos den ganzen ihm zur Verfügung 
stehenden Edelmut leiht. Der Professor hat auch eine Sekretärin, 
ein dummes hübsches Mädchen mit großen Augen. Bis er dazu 
gelangt, sie zu heiraten, Legeben sich schreckliche Dinge: die Hoch- 
staplerin verführt den Professor, seine Sekretärin heiratet einen 
Schuft und der Professor -gerät trotz seiner Gerichtsmedizin in den 
Verdacht, ihn niedergeschossen zu haben, während es doch der Förster 
war. Eine Handlung älteren kriminalistischen Schlags. Die Regie 
hat sich ihre Verfilmung nicht viel Mühe kosten lassen. Das Ue- 
üirgsdorf, in dem der tragische, Teil vor sich geht, M allzu sichtbar 
gestellt, und das Schneetreiben setzt sich aus lächerlich dicken Federn 
zusammen. Ganz nett ist eine Betrügerei der Hochstaplerbande 
arrangiert.. Der einzige Glanzpunkt: Paul Graetz als Juwelier. 
Sein Mimenspiel ist bis in die kleinste Geste vollendet. 
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