Anmerkungen zum Mm: Aas Ende von St. Wetersöurg
(Zur Aufführung des Films in den Frankfurter Ale-
kaca.
mannia-Lichtspielen.)
worden wäre.
UacL.
Nicht durchweg freilich hält sich der Film auf der Höhe seiner
Hauptpartien. Ist auch die Kontinuität der Zeit im allgemeinen ge
wahrt, so sind doch etliche Ereignisse, offenbar der Vollständigkeit
halber, zu sehr im Eiltempo genommen. Vielleicht ist der Film ver
stümmelt worden. Die Andeutung der Schlachten wäre überflüssig
gewesen, die Parallele zwischen den Transaktionen an der Front
und an der Börse liegt an der Oberfläche. Hier und dort schlägt
eben doch bloße Tendenz durch, die unkräftiger wirkt als jene Teile,
in denen die Tendenz als Haltung zugrunde liegt. (Gerade diese
Stellen sind es, an die sich Piscator als an fein Vorbild in
seinen Begleitfilmen hauptsächlich gehalten zu haben scheint). Daß
das Reiterstandbild während der Kriegsbegeisterung zu weinen be
ginnt, ist witzig, aber auch etwas billig.
Figur ist wirklich, scheint nicht zu spielen, sondern zu sein. Die Dar
stellung ist umso gewaltiger, als auf die leichte Wirkung verzichtet
wird, die Männer der Gegenseite — den Fabrikanten, einen Offi
zier und Bürger , zu eindimensionalen Karikaturen herabzuwür-
digen. Georg Grosz hat-es sich seinerzeit bequemer gemacht als
die Russen, die unter allen Umständen realistisch bleiben. Freilich
sind die Zarenanhänger vom Haß gezeichnet, der etwa die Aehn-
lichkeit zwischen dem Fabrikanten und dem Reiterstandbild entdeckt.
Führende Gestalten des Volkes: ein dumpfer Landmann, der nach
Petersburg gekommen ist, um Arbeit zu suchen, und eine Arbeiter
frau, deren Härte erst zuletzt schmilzt. Die Kunst, mit der ste durch
das Stück gehen, sucht ihresgleichen. Auch ste beruht auf dem Er
griffensein vom revolutionären Geschehen. Der menschliche Grund
ist mitbeteiligt.
--- Opfer. So heißt der Großfilm der Ca p it o l-L ichtH
spiele, der sich in einem galizischen Grenzort während des
Kriegs entwickelt. Das bewährte Milieu von „Hotel Stadt Lem-
berg" erscheint hier in zweiter Auflage, die aber leider nicht ver
bessert worden ist, obwohl Iwan Mosjukin und Mary Phil
tz in die Helden sind. Diese spielt eine Jüdin, jener eine russische
kaiserliche Hoheit. Da sich beide trotz der Verschiedenheit der Rasse
und Kriegsziele lieben, mag man sich denken, zu welchen Opfern
es kommt. Die Philtzin ist bildschön und Mosjukin von apathischer
Eleganz. Als Hintergrund ein ausgedehntes ostjüdisches Ensemble
und die Uniformen der kriegführenden Nationen. Der Film hätte
- entschieden gewonnen, wenn er nicht durch Poesie zu lang gedehnt
Für den großen P u d o w kin - Film M, was für die
paar anderen in Deutschland gezeigten Russenfilme gilt, die er
mit Ausnahme des Potemkin übertrifft: sein Kunstwert ist an die
Voraussetzung einer bestimmten Haltung geknüpft. Die Revolution
wird in dem Film verherrlicht, und die ganze Darstellung ist ge
tragen von dem Denken, das zur Revolution hinleitet und sie bejaht.
Es gibt ein Gut und ein Böse in dem Film, und jedes Ding hat
seinen bestimmten Charakter. Statt daß die gemeinte Gesinnung
die reine künstlerische Gestaltung zur Illustration einer Tendenz
entstelle, macht sie vielmehr die künstlerische Leistung erst möglich.
Denn um, wie das Kunstwerk es tut, die Gegenstände mit Bedeu-
! Lung zu sättigen, muß die Bedeutung erkannt sein. Die Gegenstände
mögen vielerlei Bedeutung haben, und auch die Fridericus Rex-
Filme wissen, was sie wollen. Aber es gibt richtige und falsche
EAenntnisse, und sind die Gestaltungskräfte überhaupt vorhanden,
so wird das von der richtigen Erkenntnis erfüllte Kunstgebilde sich
behaupten, während das ahnungslose Machwerk versinkt.
Aus der revolutionären Haltung heraus empfängt alles, was
im Film erscheint, seine Bestimmung. Wie ist wieder die Hohlheit
der Prunkgebäude durchschaut, die den Machthabern dienen! Ein
antiker Giebel braucht nur aufzutauchen, um sofort gerichtet zu
sein. Als Hauptsymbol der Oberklasse dient das große Reiterstand
bild, das immer wieder von oben und unten, von rechts und von
links erscheint. Es triumphiert und es glänzt, und zu seinen Füßen
spielt das Elend sich ab. Auch die Hinterhöfe und die Mietskasernen
reden unmittelbar. Durch die Perspektive, durch die Belichtung und
den Bildausschnitt sind sämtliche menschlichen Manifestationen bis
ins Mark hinein getroffen.
Wie die Gebäude, so stehen sich die Bevölkerung und die Ver
treter der Herrenschicht einander gegenüber. Ueber die unerhörte
Auswahl dsrTypen ist kein Wort wehr zu verlieren- Jede
Die künstlerische Phantasie, mit der dieser Film gedreht
wurde, ist jeder Bewunderung wert. Ausgebildet ist vor allem
die assoziative Technik. Inmitten der rasch wechselnden Im
pressionen, die der Gleichzeitigkeit des Geschehens Ausdruck ver
leihen, werden gewisse Motive wiederholt: außer dem Reiterstand
bild das große Schwungrad und die Fanfarenbläser. Diese Leit
motive vennüpfen das Gewebe und weisen die Richtung. Eines der
hervorragendsten Ausdrucksmittel ist der Raum. Wir hatten schon
einmal bei Gelegenheit eines Russenfilms die Beherrschung des
Raums in diesen Filmen gerühmt. Er ist hier in unvergleichlicher
Weise gemeistert. Die Magie des Winterpalais, die Schrecklichst
einer Straße, die Verlassenheit eines Häuserblocks sind noch kaum
je erblickt worden. Durch geringfügige Veränderungen wird häufig
der Sinn der Vorgänge drastisch entschleiert. Musterhaft die paar
Szenen, in denen der Krieg beschlossen wird: man sieht gold
strotzende Uniformen, schwärze Cuts und gestikulierende Hände,
aber niemals die dazugehörigen Kopfe.
iv- 2 r/l/-