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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.09/Klebemappe 1930 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

siebliebkeit und kuxus, die 8zenen be- 
sieb an dem gezäbmtSO Naturwunder erbauen. 
kr. 
S. Kramner. 
7° 2SL-2F8 
trügender ktikette und selbstgemaebter Oualsitten . . . 
sind bis jetzt noeb aus diesem einsamen ^Zildbade entkernt 
geblieben . . kurzum, wenn einmal 8ommer ist, dann wer 
den ^ebntausende sieb bier die ewige .lugend zurüekerobern. 
Dann wird aueb der Masserkall dreimal wöebentlieb benga- 
liseb beleuebtet sein. Kr wird in Kot, Orün und Oelb er- 
strablev, ökkentlieb wird er wie dureb einen gesebmüekken 
Zwinger dabinsausen, und die Oaste auk der Drucke werden 
Berlin^ im AM. 
Immer wieder Krieg. 
„Blockade": ein Nachzügler unter den dokumentarischen 
Kriegsfilmen, ein unnützes, dummes Produkt. Der Film, das 
Ergebnis englischer und deutscher Zusammenarbeit, veranschaulicht 
die verschiedenen Etappen des Seekriegs; vor allem den Kampf 
der D-BooLe gegen die feindlichen Minenfelder und ^-Boot-. 
Fallen. Die posthuM Enthüllung der ozeanischen Tricks.und 
Gegentricks käme nicht zu spät, wäre sie wenigstens vom richtigen 
Geist eingegeben. . Wer K wird mit jener stumpfen Neutralität 
bewerkstelligt, die bei uns heute so oft an die Stelle der klaren 
Erkenntnis und des ausgesprochenen Willens tritt. Man möchte, 
nicht den Krieg verteidigen und ihn noch, weniger anM 
kurzum, man möchte überhaupt nichts anderes, als es allen recht 
machen. Die Folge ist eine sinnlose Aneinanderreihung technischer 
Kriegsdetails, die es niemandem recht macht, und am Ende die 
pathetische Mitteilung, daß der Meeresgrund nun Freund und 
Gegner berge. Als ob die Jnternationalität der Leichen ein Trost 
wäre. Der stupide Hinweis aus sie ist in Wahrheit der illegitime 
Abschluß eines illegitimen Unternchmen^ Die Aufnahmen des 
Films, der im Atrium läuft, sind offenbar teils nach der aus den 
Archiven geholten Natur, teils merklich gestellt. Durch seine 
Langeweile erzielt der Film immerhin die unbeabsichtigte 
Wirkung, vom Krieg abzuschrecken. 
HochgebirgszaubeK 
Das Hochgebirge ist echt, der Zauber falsch; worauf schon der 
Titel: .,D L s h .e i ltgen drei Brunne n" des im Ufa-Palast 
am Zoö gezeigten Films zu schließen erlaubt. Um wieder einmal 
möglichst viel Gletscherwelt und Höhenluft zusammenzuraffen, hat 
Arnold Fanck die Idee gehabt, die keine ist: in ein abgelegenes 
Alpennest einen Ingenieur zu schicken, der die We Gegend dadurch' 
aufrührt, daß er einen mächtigen Staudawm errichtet und zugleich 
das Herz eines einheimischen Eheweibs gewinnt. Tosen der Ele 
mente, Wunderwerke der Technik und Stürme der Leidenschaft — 
ein einziger pseudoheroischer Bombast, der nur verrät, daß der 
Verfasser nicht weiß, wo wirkliches Heldentum zu finden ist. Das 
sentimentale Hochgebirge ist der rechte Hintergrund für den Inge 
nieur Luis Trenkers, der ein hundertprozentiger Mann ist, wo 
immer er bergsteigt. Zu seiner Vollkommenheit fehlte allenfalls noch 
die Ritterrüstung. Einige wundervolle Höhlenphotographien ent 
schädigen weder für die abgeleierten Montagen der Staudamm 
szenen noch für die unerträgliche Rhetorik der Fabel. 
Kriminal-Tonfilm. 
Im Ufa-Theater Kurfürstendamm ist der erste' Kriminal-Ton 
film: „Der Tiger" zu sehen. Eine geschickt aufgebaute Maga 
zingeschichte, deren Spannung bis zur Schlußpointe anhält. Da sie 
Zum Glück keine höheren Ziele verfolgt, erreicht sie wenigstens das 
gar nicht so verächtliche: gute Unterhattungsmache zu sein. Der ein 
geschaltete Ton er kommt nahezu durchweg rein heraus -- unter 
stützt an mehreren Stellen die filmische Wirkung. So ist die Laut- j 
losigkeit, mit der sich Einbrecher ins Haus schleichen, nach den vor 
angegangenen Dialog- und Lärmszenen doppelt bedrückend; so 
wird der Eindruck , des Apachmtanzes durch das mit den BilLaus 
schnitten stetig wachsende Stimmengewirr der Umgebung außer- 
Jas Kaus der deutschen Messe. 
K r Berlin, Mitte April. 
Das neue Haus der deutschen Presse — es wurde 
wn 1. April in Betrieb genommen — ist ursprünglich ein feudaler 
Pnvatpalast gewesen. Durch die Liquidation des Lohmann-Kon- 
Zerms fiel er ans Reich, das ihn für vorläufig zehn Jahre dem 
Reichsverband der deutschen Presse vermietet hat. Aus den von 
Severrng zur Verfügung gestellten Überschüssen der „Dradag" 
j(Drahtlose-Dienst A.-G.) und den eigenen Mitteln des Verbands 
rst dann das Haus innen umgestaltet und außen frisch angestrichen 
Doröen. Noch heute wirkte es als Privatbesitz, trüge nicht die 
Fassade hoch oben die Aufschrift: „Der deutschen Presse". 
In der auf Glanzpapier gedruckten EinweihungS-Festschrift hat 
Emil Dovifat seinen Ausführungen über den Geist des Hauses 
das Motto vorangestellt: „Es ist der Geist, der sich den Körper 
baut". Der Geist, in dem dieser Körper ausgebaut ist, entspricht 
dem Glanzpapier der Festschrift. Große Aufmachung wie in feinen 
Möbelgeschäften. Hallen, Salons und edelholzgetäfelte Säle — 
Van glaubt sich in die Gesellschaftsräume eines modernen Ver- 
Mgungsdampfers versetzt. Uns geht es gut. 
Zur Unterhaltung der nachwilhelminischen Pracht ist der „Klub 
der deutschen Presse" ins Leben gerufen worden. Wer durch Ent 
richtung eines Jahresbeitrags Klubmitglied wird, darf sich immer 
in den Hallen ergehen. Er kann hier speisen, seine und die geg- 
«erischen Zeitungen lesen und in den Klubsesseln sitzen. Nur 
arbeiten kann er hier nicht. Denn außer einem Schreibzimmer und 
zwei Telephonzellen dient nach der Absicht der Gründer alles ge 
sellschaftlichen Zwecken. Die Presseleute sollen in dem ihnen gewid 
meten HauS sich entspannen, einander kennenlernen, Beziehungen 
vnknüpfen usw. Ein einziger GotteSfriede, der höchstens dadurch 
Manchmal unterbrochen wird, daß die Säle und Salons im Inter 
ne der Rentabilität an Presseorganisationen und andere, dem 
Reichsverband nahestehende Organisationen vermietet werden. Wer 
Such dann herrscht geselliges Treiben im Haus. 
Der Palast liegt an der Tiergartenstraße. Rechts und links 
psw Hm sind lauter Wohnungen zu vermieten, er Mer glänzt 
funkelnagelneu. Hoffen wir, daß der Geist, von dem seine Glanz- 
paprereinrichtung zeugt, nicht weiter an ihm baut: jener Geist der 
leeren Repräsentation, der auch unsere Rundfunkzentralen etwa 
daran hindert, wirklich Geist zu entwickeln. Sonst flitzt die Zeit 
an dem Pressehaus so rasch wie irgendein Taxi vorbei, das über 
die Trergartenstraße saust. 
stellen. IurmtteQ cker ^.bZes^bieckenbe^t sie niebt selten 
üderklüssiZ nnä bomiseb. -^.der äarckn sinä die Illustrationen 
sebuld. 
^enn einmal Sommer ist . . . 
8ebon letzt beginnt sieb der Ort tür die kommenden 8ommer- 
«Lurmanöver zu rüsten. Agenten und Oesebattsreisende mit 
klappen unter dem ^.rm naten unverdrossen dureb die ank- 
Ze^eieblen 8traVem biebtdares ^sieben des baldigen Uoeb- 
dstrieks: an allen Ueken und Lnden v/ärd eitrig gebaut. Zwar 
ist die 8ebacbtel längst voll, aber so unAaublieb es klinZt, 
überall tindet sieb doeb noeb ein ?lätzeben. ^Zenn es niebt 
krer ist, wird es aus dem Mebts gezaubert. Nan stoekt aut; 
man baut an; man nüblt ein Xino in die Lrde und überböbt 
es dureb Verkaukspavillons; man erriebtet sogar neue Häu 
ser, 'wn immer kaum kür sie ist -^ueb in den alten regt sieb's 
allmablieb, sie müssen modernisiert und instandgesetzt 
werden. 
Die kolonisatorisebe Oesebaktigksit ivird sieb auszablen, 
^venn einmal 8ommer ist. Dann strömt das Publikum in die 
aus dem 8eblak er^vacbten Hotels, lind kein Zimmer ist mebr 
zu baben. Dann sind die Kader von vier klbr trüb an be 
setzt. Dann ergieÜL sieb eine solebe Nenge über die ?rome- 
naden zu den dausenstationen, da6 es den ^.nsebein bat, als 
bielten Kaiser V^ilbelm und Kaiserin Klisabetb Oalaempiange 
ab. Dann ist der Ztraubingerplatz mit Kurgästen gexklastert, 
und niebt das geringste Auto kann mebr passieren, kann 
sebnellen die kreise der groüen Ktablissements zu einer Höbe 
binan, die nur die böebsten 8ebiebken noeb zu erklimmen 
vermögen. Dann duckten die Wälder und leuebten die Orpkel. 
Dann werden naeb dem blaebimab! die Kierstüberl besuebt, 
aber gegen elk Ickbr ist un^veigerlieb 8eblu6. ^enu aueb viel- 
leiebt niebt mebr ganz zutrikkt, 'lvas der ebr^vürdige I^luebar 
zu rübmen ^vei6: ,^V 
ordcntüch gesteigert. Man bat m.kMer Z-üt viel gelernt. Freilich 
tritt immer noch der Ton zu yE des Tones willen auf und 
hemmt so die Handlung. Wozu eine Couplet die nicht nötig 
M und meterlang das gleiche Bild Zum Verweilen zwingt? Ton 
- film ist kein Theater mit stehenden Hintergründen. Und dann 
werden^scheinbar aus der mrbezähmbaren Lust zum Tonen heraus,^ 
die Geräusche alhu deutlich eine RiesenschreLL- 
maschine klapperte so laut wie die hier beschäftigte, und in der Regel 
gehen die Leute auch, nicht mit- Nagelschuhen Mer Steinfliesen, 
Russische Ballade. 
Nach Motiven von Maxim Gorki ist das in der Alhambra 
gezeigte „Lied vom alten.Marrt^ Held 
ist der starke Artem,. in dem sich das dumpfe gewaltige russische 
Volk verkörpert. Wie der los gelassene Golem tappt er durch die 
Menge auf dem Markt, Gegenspieler des kleinen Juden, den alle 
mißhandeln. Nach einem MordüM dem er beinahe zum 
Opfer gefallen wäre, findet sich Artem mit dem Juden zusammen, 
der ihn in die Heilslehrs der Revolution einsthrt. Artem wird 
sehend und hört genau in diesem Augenblick auf, glaubhaft zu 
sein. Die aufgepfropste Tendenz verdirbt den Balladenkoloß. — 
Die Regie Petrow-ByLows lehnt sich an die großen russischen 
Vorbilder an. Eine treffliche Schularbeit ohne besondere 
Originalität und etwas befangen in theatralischer Romantik, die 
allerdings vom Stoff, mit bedingt ist. Zur Selbständigkeit gelangt 
die Leistung in den MördersZenen, die aus mittelalterlichen Bil 
dern Zu stammen scheinen, und der Höhepunkt ist entschieden die 
Vergegenwärtigung des Entsetzens- durch die mit Hilfe von Hohl 
spiegeln hergestellten Zerrbilder der Mördergestchter» Unvergleich 
lich ist die Thpenauswahl und, trotz mancher zu mechanischer 
ÄssozM die Aktion der Landschaft/Die russische Erde hilft 
den russischen Regisseuren.
	        
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