welt" mahnt die Säumigen oder redet den Wartenden zu, nicht zu
verzagen. „Daß Gösta Ekmann Ihre Autogramm-Bitte nicht er
füllt, tut uns ja aufrichtig leid. Aber leider können auch wir
Ihnen nicht helfen. Vielleicht versuchen Sie es noch einmal! Sie
wissen doch: „Was lange währt, wird gut!" Unter Umständen
wäre hier auch das Sprichwort: „Steter Tropfen höhlt den
Stein" nicht schlecht am Platze gewesen.
Einige besonders glühende Verehrer und Verehrerinnen geben
sich nicht einmal mit dem Besitz der teuren Namen Zufrieden.
Sie möchten selber bei den Seligen wohnen, sich im Licht der
Jupiterlampen sonnen und jene Höhen erstürmen, in denen das
Sternbild Fritsch-Harvey kreist. Aber die Redaktion der „Film
welt" stellt sich wie der Engel mit dem feurigen Schwert vor
die Pforten der Filmatelierparadiese. „Wenn Sie zum
Tonfilm wollen", äußert sie wieder und wieder, „müssen Sie sich
zunächst einmal in Sprechtechnik ausbilden lassen." Oder sie stößt
aus Pflichtbewußtsein die verschiedenen Filmfreunde und -ratten
einfach vor den Kopf: „Um vor Enttäuschungen zu bewahren,
raten wir von einer Filmlaufbahn ab." Recht so. Ich bezweifle
nur, daß der Rat immer nachhaltig wirkt, denn die Gewarnten
können sich ja auch auf das oben angeführte Sprichwort berufen,
daß Zuletzt doch gut wird, was lange genug währt...
Aus diesem Frage- und Antwortspiel, das regelmäßig mehrere
enggedruckte Seiten des Filmmagazins füllt, geht unzweideutig her
vor, von welchen Träumen viele junge Menschen heimgesucht wer
den. Der Filmkitsch hat sie in ihnen erregt. Er lügt eine
wunderbare. Oberwelt zusammen, die von lauter Prinzen und
Prinzessinnen bevölkert wird, und die Unwissenden verwechseln
fortan Sein und Schein und starren wie betäubt auf die höheren
Feerien. So werden sie unbrauchbar gemacht und von einem Kampf
abgelenkt, der ihnen vielleicht wirklich zu besseren Daseins
bedingungen verhelfen könnte. Die auch dem Film gestellte Aufgabe
wäre aber gerade: sie nicht im Banne des Schlafs Zu halten, son
dern Betörte zu wecken. Indessen, wir scheinen einstweilen noch
weit von der Zeit entfernt zu sein, in der allen Filmrollen der
fläche vor sich gehen. Nicht unwichtig, daß sich Oberbürgermeister
Dr. Sahm von der Schau und den Funikongress^
Stärkung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit auf dem Gebiet
des Städtebaus und des Wohnungswesens erhoM
ch
Die von Mies van der Rohe eingerichtete Halle, die Woh
nungen unserer Z e i t beherbergt, ist selber ein Beispiel
anständiger Zeitgemäßer Vaugesinnung. Gleich weit entfernt von
dem Fassadenpathos des Rundfunkhauses und jener sturen Sach
lichkeit, hinter der kleinbürgerliche SentimentS wohnen, schließt
sie sich zu einem Raum zusammen, in dem man atmen kann. Er
ist unprätentiös und doch echt anmutig; leicht m den Gelenken
und doch fest gegliedert. Wenn irgendwo, so ist Hier der Mlhel-
minismus vertrieben. Die glatte Brüstung der Galerie, von der eine
Gehrampe mach unten führt, umklammert die asymmetrisch ange
ordneten Häuschen und Hausfmgmente, die zwanglos herumstehen
wie bei einem Picknick. Ein angenehmes Bild: diese kiesbestreuLen
Dächer, diese Spuren von Grün, diese ganze lockere Assoziatisn,
deren freies Beieinander keineswegs anarchisch ist. Unter den Ob«
jekten, die erst zum Teil fertig-gestellt sind, befinden sich eine Ein
. raum-Wohnuno, eine Doppelgeschoß-Wohnung, Ausschnitte aus
einem Boardinghaus, eine Studentenwshnung, Modelle von Woh
nungen im Hochhaus usw. Im Zustand der Vollendung wird die
Abteilung zweifellos dem Laienpublikum nützliche Anregungen
bieten, die über das Problem des Wohnens noch hinausweisen.
Deutsche BauausstMlng.
Vorläufige Bemerkung
Berlin, im Maü
Diese riesige Schau, die größte Fachausstellung seit Jahren,
kann nicht im ganzen überblickt, sondern muß nach und nach
durchgearöeitet werden. Sie macht den heutigen Stand dez Bau
wesens in einer großen Zahl von Abteilungen Zugänglich, deren
jede ein Studium für sich ist. Um nur verschiedene Methoden des
neuen Bauens zu ersassen, wäre ein Lehrgang von mehreren
Semestern notwendig. Das Nebeneinander der in sich geschlossenen
Abteilungen entspricht durchaus den anarchis^
die innerhalb der Wirtschaft herrschen. Gut so, daß die Aus-
stellungsleiLung nicht versucht hat, die Gruppen formal oder gar
inhaltlich Zu einer Scheineinheit zusammenZuschweißen. Denn es
ist immer besser, den faktischen Zustand zu spiegeln als ihn zu
beschönigen; und etwaige gemeinsame Entwicklungstendenzen M
entdecken, die sich innerhalb des gewaltigen Gebietes hier oder
dort verraten, wird um so leichter sein, je weniger der Aus
stellung irgendeine Tendenz von vornherein aufgepreßt worden
ist. Ich bin überzeugt davon, daß das in den acht Hallen aus
gebreitete Studienmaterial von gewissen allgemeinen Be ¬
strebungen sozialer und politischer Art Kunde bringt, die in
vielen Menschen und Kreisen lebendig sind, ohne doch schon
bewußt geformt und eingreifend wirksam zu sein. Man muß sie
nur auffinden. "
s
Vermutlich enthüllen sie sich vor allem in der i n L er -
nationalen Ausstellung für Städtebau und
W o h nungswesen, der eine Abteilung angeschlsssen ist, die
bauliche Leistungen der Gegenwart zeigt. Dreiundzwanzig Staaten
veranschaulichen, was in den Jahren 1900 und 1930 geplant
wurde — eins Gegenüberstellung, durch die das Grundverhalten
des modernen Städtebauers besonders deutlich demonstriert wer
den kann. Bei der ersten flüchtigen Betrachtung fällt immerhin
schon auf, daß die fortgeschrittenen städtebaulichen Maßnahmen
von einem Geist durchdrungen sind, der sich mit manchen privat
wirtschaftlichen und politischen Grundsätzen kaum noch verträgt.
Es wäre der Mühe wert, die Gesinnung zu prüfen und. M be
nennen, aus der heraus die moderne Landesplanung erfolgt. Sie
führt zur Beschwerde über willkürliche politische Grenzen urch
bemüht sich um eine systematische Organisation von Stadt- und
Landgebieten, die, wenn man will, den Charakter der Planwirt
schaft hat. Der Drang nach rationeller Projektierung verbindet
sich in einigen Abteilungen unverkennbar mit sozialen Absichten.
Möglicherweise ist diese Städtebau-Ausstellung ein Signal
wesentlicher gesellschaftlicher Veränderungen, die unt^ der Ober
HiMarLe und ein adressierter, frankierter Rückumschlag beizu-
fügen", Mitunter bleiben die Huldbeweise aus; doch die „Film- Filmstar gestochen wird.
Die Halle enthält auch eine freundlich hergerichtete Ssnder-
schau der preußrschsn SLaaLZhschbauverws! Lung,
in der Räume von Bauten gezeigt werden, die gerade in Aus
führung begriffen sind. So delikat ist der preußische Staat seinen
Bürgern noch selten gegenübergetreien. Wahrhaftig, er lächelt bei
nahe und geht mit der Zeit. Nicht Lm Paradeschritt, sondern wie
einer eben geht. In Brandenburg an der Havel errichtet er ein
Gefängnis, dessen Gemeinschastszellen in mir nur den einen
Wunsch erregt haben: schleunigst dorthin üLerzusiedeln, um endlich
einmal ungestört arbeiten Zu können« Die Zelle ist hell und ge
räumig und enthält ein abgetrennteS Spülklosett, fließendes kaltes
Wasser und überhaupt alles, was ein Mensch braucht, der ver
nünftig ist und nicht am Besitz hängt. Die Polizeikrserne in
Köpenick wird mit Recht eine Pol'iZeiunLerkunst genannt, denn ihre
Wachtmeisterzimmer strömen ein Behagen aus, das zu dem her
kömmlichen Begriff von einer Kaserne nicht patzt. Und dann das
Gewerbeschulheim Zu Rheydt: Zwar sitzen die Mädchen auf Stahl
stühlen, aber den Stahl ist elegant gekrümmt, die Farvenwahl zart
und das ganze Innere von klarem Geschmack.
*
Die Ba u wi rtschaft füllt in der Hauptsache die übrigen
Hallen. Holz, Stein, Glas, Farben, Wasser, Wärme, Gas, Lust,
Kraft, Zement, Stahl, Beton -- sämtliche Stoffe und Faktoren,
„Wieviel die Künstlerin wiegt, Wen wir bis jetzt nicht feststellen
können", lautet einer der negativen Bescheide, der immerhin hoffen
laßt, daß das Gewicht der Künstlerin später doch noch be
kannt werden wird.
Die betreffende Künstlerin ist Lilian Harvey. Sie und ihr
Partner Willy Fritsch sind geradezu mythische Figuren,
mit denen sich die Volksphantasie wieder und wieder beschäftigt.
Da sie in der Vorstellung der Filmliebhaber unzertrennlich Zu
sammengehören, können diese schlechterdings nicht verstehen, daß
das Doppelgestirn neuerdings auseinartdergerissen ist. „Später
werden Miau Harvey und Willy Fritsch bestimmt wieder zu
sammen filmen" — oft genug muß die „Filmwelt" Enttäuschte
auf die Zukunft vertrösten. Oder sie sieht sich zu der Erklärung
veranlaßt, daß die beiden Stars trotz ihres gemeinsamen Auf
tretens nicht miteinander verheiratet seien, und Lilian Harvey
gar nicht daran denke, sich zu vergiften. Wie weit die Heldenver
ehrung getrieben wich, ist aus der folgenden Antwort zu ersehen,
die sich bemüht, keine Illusion zu zerstören: „Ob Willy Fritsch
in der Schule ,gescheit' war, wissen wir nicht, nehmen es aber
als sicher an."
Jene, die sich selber als „Filmratte Fridel H. Sch.", „Neu
gieriger Filmnarr", „MM Maus aus Hamburg", „Film-Ruth
9696 aus Düsseldorf" titulieren, werden natürlich vom Wissen
um ihre Lieblinge allein nicht satt. Können sie die schimmernden
Vorbilder nicht mit Haut und Haaren verzehren, so möchten sie
doch zum mindesten ein Zeichen in Händen halten, das ihnen
einen Anteil-an der Existenz, der Jdealtypen gewährt. Sie fahn
den nach Auto gram wie die mittlerweile ausgerotteten
Indianer nach Skalps. Zum Glück scheinen sich die Stars darüber
klar zu sein, daß sie nicht nur leuchten, sondern auch Unter
schriften niederträufeln lassen müssen. „Sämtliche Filmstars,"
schreibt unsere Auskunftei, „geben Autogramme. Sie können sich
direkt an sie wenden. Selbstverständlich ist immer die betreffende