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Full text: H:Kracauer, Siegfried/01.11/Klebemappe 1932 - [Geschlossener Bestand der Mediendokumentation, Nachlass]

xuge- 
Deutsebs Nation in 
aueb 
In 
dort 
aueb 
8tatt 
Bans Naumann 
seiner ^Brosebüre: 
geben. 
Da Naumann die (Gründe lürs Dbaos 
Zuebt, wo sis niebt liegen, muK er natürlieb 
eine D-ösung erbolken, die illusoriseb ist^ 
Ztrakkers und grokxügigers Ordnung der Wirtsebakt 
Mirä es niebt anders bestellt sein. 
Neuer Humanismus? Alter Dklektixismus. Leine 
ganx leer wären. 
Wie Belbing, so ist 
Ideologiseb belangen. 
Aber geistige Vewsgungen wis die Aufklärung usw., 
die den klatx der aus sebr realen (Gründen abs^er- 
benden ständiseben Vorstellungswelt einxunebmen 
sueben, kälseblieb xu Krankbeitserregern stempeln. 
Dinmal sebeint es, als ob Naumann der kabtiseben 
Dexiebung xwiseben Brsaebe und Wirkung doeb 
inne würde, An iensr Ltelle, an der er xeigt, wis 
die „besitxlose und etboslose Dabrik- und Dobnar- 
beitermasse" entstanden ist, Lukert er sieb wis 
folgt: „Dis Nation, xur gleieben Zeit unglüek- 
lieberweise sebwäeber werdend in ibren drei wirk- 
lieben Ltänden, batte weder Nänner noeb Nittel 
bereit, sieb diese neue Nasse in Ibr (belüge wirk- 
lieb einxugliedern . . Was bier eingsräumt ist 
—° die Batsaebe nämlieb, dak der Zerfall des stän- 
disebsn Begimes von seinem eigenen (notwendigen) 
Versagen der veränderten Wirkliebkeit gegenüber 
berrübrt —, wird Indessen sonst nirgends 
Funktion ist allenkalls die, einige gebildete Wände 
'E sebmüeken, die sonst 
über deren prsAtisebe Bedeutung mau sieü moM un 
Zweikel sein wird. Dinmal müsse der 8laat, meint 
Belbing, „die unter dem sebon reebt vieldeutig ge 
wordenen Wort ,8oxialismus' xum Ausdruek kommen^ 
den Debensreebte der Lesitxlosen dureb eine straf-- 
kere und grokxügigers Ordnung der Wirtsebakt xü 
erfüllen wissen usw.; xum andern babe er 8orge kür 
die „Neubildung des Adels" xu tragen. Welebe polk 
tiseben Näebte im 8taat berrseben sollen und wie sie 
es anlangen müssen, um die strakkere und grok^ 
. xügigere Ordnung der Wirtsebalt xu erxielen, sagt 
uns Belbing niebt, Aber er entsebädigt uns doeb 
kür sein Lebweigen dureb eine Andeutung, die sieb 
auk die Adelsbil^ung dexiebt. „Wir erleben beute in 
der kaseistiseben Auslese um Nussölini und in der 
russiseben kommunistiseben Bartei ... auk entgegeu- 
gesetxtem Boden gleieberweise den VersUeb, eins 
neue Mits xu bilden." Da die russiseb^ kommu- 
nistisebe Bartei vermutlieb nur um der tbsoretisebew 
Vollständigkeit willen bier erwäbnt worden ist. blecht 
als Musterbeispiel unserer neuen Dlite allein die las- 
oistlsÄiG AusI iE Nud —AnaloL^ kür dch 
sieb naeb der von ibm selber so sebon gesenildsr- 
Len Art germaniseber Beiden freiwillig xum 8ebmk- 
sal xu bekennen, das die tztändisebe (Niederung d.a^ 
bingeraklt bat, seblägt er uns als Bettung die Be- 
stauration eben dieser ständiseben 
Oliederung vor, das beikt: er lebnt sieb blind 
gegen das Lebieksal aul, das er in die Band neb- 
men sollte, er bemübt sieb niebt darum, die sorials 
Wirkliebkeit xu verändern und damit die Voraus- 
Zetxungen kür ein neues, xweilellos aueb volksbak 
tes Dasein xu sebalken, sondern möebte die* Wirk- 
liebkeit in eine Dorm xurüekbannen, die dureb 
ibren Wandel längst xerbroeben ist. Dis Realisier 
rung seines Wunsebtraumes verspriebt er sieb von 
der „romantiseb-volkstümlieben Welle", die sebon 
die dugendbewegung emxorgetrieben babs, und 
niebt xuletxt von der nationalsoxialisti- 
seben Bewegung mit ibrer „Idee einer Dlite als 
eines neuen Adels, der Dnergie des Willens und 
der Bat, mit ibrer Beiligspreebung des rassiseb- 
nordiseben Bvps, der Drböbung von Blut und Oeist 
über Verstand, Deküb! und Bildung . . ." „Könnte 
sie", so meint er von ibr, die er ausdrüeklieb als 
eine romantisebe Bewegung kennxeiebnet, „das Bro- 
letariat endlieb xu einem deutseben 8tande maeben, 
könnte sie unserem deutseben Bauerntum seinen 
deutseben Ltandesebarakter wiedergeben, könnt« 
sie einen neuen deutseben Adel sebalken, so würde 
sie kür unser Volkstum von unendliebem Legen 
sein." Könnte sie — aber sie kann niebt. Denn 
die Wirkliebkeit ergibt sieb nie und nimmer ro- 
mantiseben Wunsebträumen, die ibrem Lobei n 
einen andern entgegensetxen. 
dieser Ideen ist vielmebr böebstens ein Zeieben 
dakür, dak die ständisebe Oliederung dem Ltruktur- 
wandel der sie mitbedingenden soxialen Wirklieb- 
keit niebt standxubalten vsrmoobt bat. Wenn 
solebs Wandlungen überbaupt vom ärxtlieben 
Ltandpunkt aus betraebtet werden sollen, so bann 
man chdenlalls nur die Alterssebwäebs des stän- 
diseben Organismus selber diagnostizieren; niebt 
Oelabr " (d. 8. 
NetLlersebe Verlagsbuebbandlung, 8tuttgart. 37 
Leiten, geb. 1.50) entwirkt er ein Bild der 
deutseben Oesebiebts, um aus seiner Letraebtung 
einige Folgerungen xu xieben, die den gegenwär 
tigen Lustand betreklen. Dr stellt das germanisebs 
Wesen dar, xu dessen Digentümliebbsiten es u. a. 
gebäre, dak man eine 8aebe um ibrer selbst willen 
tue und der Held sieb lreiwillig xu seinem 8ebieb- 
sal bekenne. Dr arbeitet ferner die Äruktur un 
serer ktaatlieben Verlassung beraus: ibre uralt- 
loderalistispben Düge und ibre standisebe Oliederung, 
die sieb vor allem im mittelalterliebsn Deutsem 
land ausprägte. „Ds gab einen Oraduolismus der 
Htände, erst ^.del und Dauern, und dann naeb der 
glüeklieben. dis Nation in ibrem Oelüge niebt er- 
sebütternden Dlngliederung eines dritten Ltandes. 
^del, Bürger und Dauern." Diese Verlassung, 
deren 8tabilität sieb noeb dadureb erbebte, daK 
wir xum Dntersebied von Drankreieb weniger das 
Ftreben naeb einem NationalWp als naeb versebie- 
denen deutseben LtandesWxs batten, wird von 
Naumann als eine ^Vrt von DrlMung gepriesen. 
8ie berubt aul dem Niteinander von Ltänden, deren 
sample „im allgemeinen niebt der Zerstörung, 
sondern dem ^ukbau" dienten; sis war „ein ir- 
disebes Lpiegslbild zenss groksn. metapbMseben 
Oradualismus, in welebem die Oeseböple xu Oott 
bin geordnet waren ..." * 
Und beute? Naumanns 8ebilderung des Deuts 
lst ein einziges Dlagelied. Din Klagelied über 
den 1'od des ^dels, die Oeläbrdung des Bürger 
tums, die ^usliekerung des Bauerntums an den 
Vierten 8tand, „der aber kein 8tand mebr ist, son 
dern nur eins Klasse, eine Bartei", über die Der- 
aulkunlt eben dieser Klasse in Oestalt des Brole- 
tariats und niebt xuletxt über den 8turx des — 
Königtums. Nan mag die jetzigen Verbältnisse als 
ein Obaos aullassen, unmöglieb aber, oder rieb- 
tiger: irreal und romantiseb ist es, ^ei ibrer 
Deutung Drsaebe und Wirkung xu ver- 
weebseln. denau das tut Naumann, wenn er 
erklärt: . Leitdem es mit der Aufklärung des 
18. dabrbunderts wie eine Krankbeit über Deutseb- 
land kam und seitdem dann besonders im 19. 
dabrbundert Kapitalismus und Droletariat, Narxis- 
mus und wirtsebaltliebe Weltansebauung, Deber- 
völkerung, politisebes Nasssnbewuktsein und Na- 
sebinenxeit erwaebten, alle miteinander auks engste 
versebwistert und keines obns die anderen denk 
bar, eine wirkliche 8ebar apokal^ptiseber Deiter, 
seitdem ist es langsam xu einer ^.ullösung und 
Leblieklieb xu einer namenlosen Katastropbe in 
dem ständiseb und kulturell so sebon gegliederten 
Aulbau des deutseben Volkstums gekommen." leb 
gebe gar niebt darauk ein, dak bier Veränderungen 
der Wirkbebkeit (Kapitalismus, Debervölkerung) 
mit Veränderungen des Lewuktseins (Aulklärung, 
Narxismus), die doeb in einer bestimmten Weise an 
zene realen Veränderungen gebunden sind, einkaeb 
in einen Bopk geworfen werden, sondern stelle nur 
lest, wie getrübt der Dliek dieses bervorragenden 
Kenners deutseben Volkstums kür die tatsäebliebe 
Verkettung der gesebiebtlieben Ereignisse ist, so 
bald es sieb um die xolitisebe Aktualität bavdelt. 
In Wabrbeit verbält es sieb keineswegs so, dak der 
sebön gegliederte ständisebe Aukbau dureb die De- 
Zieption der Aulklärung, des Diberalismus und des 
Narxismus xerstört worden wäre; die Dexeption
	        
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